Nagy Ildikó szerk.: A Magyar Nemzeti Galéria Évkönyve 1980-1988 (MNG Budapest, 1989)

R. Várkonyi, Ágnes: VARIATIONEN ÜBER DIE UNGARISCHE GESCHICHTE: DIE BILDER DER AUSSTELLUNG. UNGAR 1526-1790

geistiges Zentrum, das die Bildung ganzer Landesteile prägte, gleich den länger- oder kürzerlebigen herzoglichen Höfen in anderen Regionen Europas oder den Residenzen deutscher Fürsten. Die natürliche Umgangsform der Epoche, und zugleich der beliebteste Zeitvertreib, nämlich das Gastieren bei einigen Aristokraten, wurde zu einer humanistischen Tugend, zu einer Virtus der den Geist formenden Amicitia.' 6 In seiner Bedeutung wuchs der Hof von Boldizsár Batthyány zu Németújvár über die Grenzen des Landes hinaus.' Der Enkel des sich aus der Schlacht bei Mohács mühsam nach Hause durchschlagenden Ferenc Batthyány lernte daheim schon aus der Grammatik des Melanchthon. Die eigentliche Bildung eignete er sich in Padua und Frankreich an. 1560 sah er. als Knappe von Maria Stuart und König Franz. vom Fenster des Schlosses Amboise aus mit eigenen Augen die entsetzlichen Qualen der gefolterten und gehenkten Hugenotten. Herr Boldizsár wurde in Ungarn von der wachsenden Ungeduld der Gesellschaft empfangen. An Europas längstem Schutzwall, an der Kette der mit Hilfe italienischer Militäringenieure ausgebauten Grenzfestungen standen die Ungarn den Kriegern der türkischen Festungen Aug in Aug gegenüber, und es gab nie Frieden. Wegen der täglichen Verteidigungskämpfe, wegen der Anschläge der Türken schwand die Bevölkerung von Tag zu Tag, wurden die Werte des restlichen Landes vernichtet. Die Herren des Landes hatten das Gefühl, jedes Jahr der Verzögerung des europäischen Zusammenschlusses gegen die Türken verschlechtere ihre Chancen für die Zukunft. 1552 hatten sie durch die Verteidigung der Burg von Eger der Welt gezeigt, daß der Türke besiegt werden kann. Der Gegenschlag der Osmanen wartete aber mit einer bitteren Lehre auf: 1566 hatte der Banus von Kroatien, Miklós Zrínyi, bei Szigetvár Sultan Suleiman aufgehalten, die versprochene kaiserliche Hilfe war aber ausgefallen und die Burg fiel.' 8 Zrínyis Kopf sandte der Pascha von Buda Mustafa in einen seidenen Sack eingenäht an den kaiserlichen Oberbefehlshaber Salm, und in Komárom wurde er beim symbolischen Soldatenbegräbnis von Zrínyis jungem Schwiegersohn Boldizsár Batthyány getragen. Zrínyis Tod schien Europa gleichsam wachgerüttelt zu haben, nach langjährigen Vorbereitungen errang die Heilige Liga, die vereinigte Flotte der Spanier und Venezianer. 1571 bei Lepanto einen glänzenden Sieg über die türkische Streitkraft zu Wasser. Eine der namhaftesten humanistischen Persönlichkeiten der damaligen Welt, Elias Corvinus, sandte ein Lobgedicht zu Ehren der Kriegstaten des Helden von Lepanto, Erzherzog Don Juan d'Austria. dem Herrn von Németújvár zu. Und Herr Boldizsár förderte auch das schöne, mit symbolischen Darstellungen verzierte Werk, das János Zsámboky, der gebildete Humanist der Wiener Hofakademie, zum Gedenken des Sieges bei Lepanto geschrieben hatte. 19 Am Hof Boldizsár Batthyánys zu Németújvár trafen die besten Werte der internationalen Wissenschaft ein: in Fässern gelieferte Bücher, Flugschriften und Nachrichtenbriefe informierten ihn über alle Bewegungen des damaligen Europa. Er stand mit so namhaften humanistischen Persönlichkeiten der damaligen Welt in Verbindung wie Nicasius Ellebodius. Jean Aubry und Philip Sidney. 20 Er war es, der in seinem Schloß das erste Chemielabor des Landes bauen ließ. Wer mag der niederländische Maler gewesen sein, den der weltberühmte Botaniker Clusius zu Batthyány mit sich nach Németújvár brachte? In Wien hatte er auch für Erzherzog Ernst gearbeitet, und möglicherweise verewigte er auch die Herrin von Németújvár, Dorottya Zrínyi. Clusius arbeitete monatelang in dem mit allen Bequemlichkeiten der Renaissance ausgestatteten Schloß Batthyány und schuf eine neue Wissenschaft, die Mykologie, die Pilzkunde. Der niederländische Botaniker widmete sein in Antwerpen herausgegebenes Werk über die Gewürze von Übersee dem ..Heros" von Németújvár und hat damit die Namen Sir Francis Drake und Boldizsár Batthyány auf ewig miteinander verbunden. 21 Die Namen Boldizsár Batthyány und Dorottya Zrínyi waren aber auch in Polen, am Hof des Fürsten von Siebenbürgen und Königs von Polen. István Báthory, bekannt. Der berühmte ungarische Dichter Bálint Balassi wurde von beiden unterstützt. Für die Aufgeschlossenheit des Hochadelstandes spricht, daß er die Modernisierung der staatlichen Institutionen des Landes, die habsburgische Zentralisation, verstanden und sich zu ihr bekannt hat. Anfangs baute er die Verteidigungs­organisation, das System der Hauptmannschaften, in Zusammenarbeit mit dem Hofkriegsrat aus. Der Präsidentenposten des neuen Wirtschaftsamtes, der Ungarischen Kammer, wurde von ungarischen Aristokraten besetzt. Die gegenseitige Toleranz ist aber in den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts geschwunden. Es stellt sich nämlich heraus, daß sich in der Türkenfrage zwischen der Habsburgerdynastie und den ungarischen Ständen ein tragischer Gegensatz entspinnt. Stürmische Landtage folgen einander. István Báthory organisiert eine internationale Allianz gegen die Türken, da er meint, die Länder der östlichen Regionen Mittel-Osteuropas von Polen aus zusammenfassen zu können, während Boldizsár Batthyány ein militärisches Bündnis mit György Zrínyi und Ferenc Nádasdy eingeht. 22 Daraufhin meint eine Gruppe aus dem Kreis der habsburgischen Verwaltung, dem türkischen Krieg vorbeugen zu können, wenn man die unruhigen ungarischen Herren zum Schweigen bringt, und schlägt auch die Festnahme von Herrn Boldizsár vor. Doch das militärische Bündnis von Batthyány— Zrínyi—Nádasdy erringt 1587 bei Kanizsa einen glänzenden Sieg über die Türken. Dieser erste große Sieg auf dem Schlachtfeld seit der Niederlage bei Mohács löst eine Kette heftiger Gefechte entlang der Grenzen aus, bis schließlich Sultan Murad III. dem Kaiser und ungarischen König Rudolf den Krieg erklärt (1593). Im Fünfzehnjährigen Türkenkrieg (1593—1608) 23 bemühte sich Papst Clemens VIII. um die Schaffung eines internationalen Bündnisses der christlichen Länder. Er hätte den Krieg gern dort fortgesetzt, wo er beim Sieg bei Lepanto aufgehört hatte, vermochte jedoch Europas führende Mächte nicht zusammenzufassen. Die Türken besetzten 1594 Wiens wichtigste Schutzfestung, die Burg von Győr, und das organisatorische Zentrum des Krieges wurde das nunmehr unmittelbar gefährdete Habsburgerreich. Wien ging ein Bündnis mit dem Fürsten von Siebenbürgen ein, die deutschen Fürstentümer boten erhebliche Unterstützung, und die Woiwoden von Moldau und der Walachei — unter ihnen Woiwode Michael — wandten sich mit einer Streitmacht gegen die Osmanen. Spanien gewährte Hilfe, der Heilige Stuhl unterstützte die Unternehmung mit zehntausend Söldnern. Venedig aber hielt sich dem Krieg fern, und Polen sowie Frankreich, die mit dem Haus Habsburg wegen dessen ! !

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