Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 25. (1972) - Festschrift für Hanns Leo Mikoletzky

POSCH, Fritz: Das Archivwesen der Länder und die Entstehung der österreichischen Landesarchive

64 Fritz Posch schichte vernachlässigt, ist seinem Verfall nahe, denn es hofft auf keine Ge­schichte mehr.“ 1840 wurde nun Pater Beda Dudik mit der Abfassung einer Geschichte Mährens betraut51), während der Landschaftskanzlist und Schüler Boczeks, Josef Chytil, das Archiv betreute und auch die umfangreichen Boczek’schen Privatsammlungen für das Land rettete, die 14.254 Nummern umfaßten, darunter 12.308 Urkunden 52 53). Im Landesausschuß drang aber damals die Bestrebung durch, die bisherigen Sammlungen aufzuarbeiten und das Urkundenbuch weiterzuführen. Ende 1852 wurde die Redaktion dieses Quellenwerkes dem Landschaftskanzlisten Josef Chytil unter der Leitung des Mitgliedes des Landesausschusses Peter Ritter v. Chlumecky übertragen. Chlumecky war der berufene Mann und konnte durch Unterstützung des unermüdlichen Chytil das Landesarchiv auf die Höhe seiner wissenschaftlichen Erfolge führen. Beide gaben bereits 1854 den sechsten Band des Urkundenbuches heraus (den Band V hatte Chytil 1850 allein herausgege­ben), in dessen Vorwort bereits die Grundzüge eines neuen, weitausgreifenden Programms der geschichtlichen Forschung in Mähren, geleitet vom Landes­archiv, niedergelegt erscheinen. Chlumecky übernahm 1855 als Mitglied des Landesausschusses das Referat über das Archivwesen und die Geschichtsfor­schung und wurde auch als Archivdirektor zugleich der leitende erste Beamte des Landesarchivs. Auf Antrag Chlumeckys wurde Chytil Ende November 1855 zum Landesarchivar ernannt, nachdem er kurz vorher den philosophischen Doktorgrad der Universität Jena erhalten hatte 5:)). Der nächste Schritt war die Erlassung einer Instruktion für das mährische ständische Landesarchiv, die von Chlumecky ausgearbeitet und 1856 vom Landesausschuß genehmigt wurde (79 Paragraphen in 10 Abteilungen) 54). Mit dieser Instruktion war sozusagen die Grundurkunde des mährischen Landes­archivs geschaffen. Während die Publikationsarbeiten weitergingen, richtete Chlumecky das Hauptaugenmerk bei seiner Archivorganisation auf die inhaltliche Erweiterung und Vermehrung des Landesarchivs. Er beanspruchte für das Landesarchiv „alle auf Recht und Geschichte bezugnehmenden und zum kurrenten Dienst nicht mehr gehörigen Schriften, Urkunden und Akten der Landesbehörden, so­wie Abschriften, wenn die Erlangung der Originale nicht tunlich, aller in den Archiven enthaltenen Urkunden des Landes.“ Er regte die depositive Hinterle­gung kleinerer Kommunalarchive im Landesarchiv an. Daraufhin verfügte der Statthalter die Übertragung sämtlicher in der Statthaltereiregistratur verwahr­ten Urkunden und Akten der aufgehobenen Klöster in Mähren und Schlesien an das Landesarchiv. Zahlreiche heimische und auswärtige Archive wurden bereist und Kontakte zu ausländischen Archivverwaltungen hergestellt. Die Schränke des Landesarchivs füllten sich durch Geschenke und Abtretungen wie niemals wieder. Auch publizistisch wurden die Erfolge ausgewertet. Anerken­nungen kamen aus dem ganzen deutschen Sprachgebiet, besonders seit die mährische Landtafel gedruckt war. Man begrüßte das edle Beispiel von Mäh­rens Adel als Träger und Förderer der Landesgeschichte, rühmte die hoch­herzige Gesinnung der Landesvertretung und anerkannte das ernste und auf­opfernde Streben der Forscher. Mähren ging damals in bezug auf die Archiv­organisation allen übrigen österreichischen Ländern voran. Chlumeckys Plan si) Ebenda 29 ff. 52) Ebenda 36 ff. 53) Ebenda 41 ff. 5i) Abgedruckt im Bericht über das das Jahr 1857 (Brünn 1858). mährische ständische Landesarchiv für

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