Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)

HEINDL, Waltraud: Die Wiener Nuntiatur und die Bischofsernennungen und Bischofsenthebungen in Ungarn 1848–1850

408 Waltraud Heindl stark vom protestantischen Element durchsetzt. Da Montani Liberalismus und Protestantismus offensichtlich gleichsetzte48) und für gleich gefähr­lich hielt, mußten ihm beide konstitutionellen Komponenten — Regierung und Reichstag — gleicherweise suspekt erscheinen. Als nun endlich die Namen der ernannten Bischöfe bekannt gegeben wurden, zeigte es sich, daß auch für das ungarische Ministerium der Gesichtspunkt: der Bischof solle den Zwecken des Staates dienen, maß­geblich war. Mit Ah. Entschließung vom 25. Juni 1848 ernannte „Se. Majestät zufolge des Patronatsrechtes, welches Allerhöchstderselben als apostolischen König von Ungarn zukömmt“: Johann Hám, Bischof von Szatmár, zum Erzbischof von Gran und Primas von Ungarn, Joseph Lonovics, Bischof von Csanád, zum Erzbischof von Erlau, Anton Karner, Titularbischof von Bács und Kanonikus von Raab, zum Bischof von Stuhlweißenburg, Vinzenz Jekelfalussy, Kanonikus von Gran, zum Bischof von Zips und Michael Horváth, Dompropst von Hatvan, zum Bischof von Csanád49). Hám war zwar ein sehr würdiger, aber betagter Mann, Lono­vics, der eine außergewöhnlich intelligente Persönlichkeit war50), zählte zu den Liberalen des hohen Klerus51 52); Jekelfalussy und besonders Hor­vath, der Schwager Kossuths, aber zeigten auch vom katholischen Stand­punkt aus ausgesprochen radikale Tendenzen. Karner war wohl katho­lisch im konservativen Sinne, weshalb er sich später auch weigerte, sein Amt unter der Kossuthregierung anzutreten 62). Wie König Ferdinand dazu bestimmt werden konnte, diese Bischöfe zu ernennen, ist nicht bekannt. Vielleicht hoffte der Wiener Hof, radikale Bewegungen sozusagen von oben her einzudämmen, indem man sich den Wünschen des ungarischen Ministeriums beugte. Vielleicht wurde der König auch von ungarischer Seite zu größter Eile angetrieben und war daher nicht in der Lage, einen Rat von entsprechender Seite einzuholen 53 * 5). «) Vgl. z. B. VA NdiV 321: Montani an Soglia, 1848 Juli 27 Nr. 70. 49) HHStA Admin. Registratur F 26/3: Note des ungarischen Ministeriums des Äußern an das österreichische Ministerium des Äußern, 1848 Juli 17, auch VA NdiV 342: Lebzeltern an Montani, 1848 Juli 22. 50) Vgl. die Rolle Lonovics’ bei den Verhandlungen um die Mischehen im Jahre 1839 bei Erika Weinzierl-Fischer Die österreichischen Konkor­date von 1855 und 1933 (Österreich Archiv. Schriftenreihe des Arbeitskreises für österreichische Geschichte, Wien 1960) 23; Csáky Kulturkampf 23. 51) C s ä k y Kulturkampf 22. 52) VA NdiV 322: Viale-Prelä an Antonelli, 1849 September 15 Nr. 222. Auch HHStA Admin. Registratur F 26/3: Karner an das Ministerium des Inneren, 1849 Mai 11. Vgl. auch Eckhardt A püspöki székek 27 und A nagy­birtokos arisztokrácia ellenforradalmi szerepe 1848—49-ben III (Die Rolle der großgrundbesitzenden Aristokratie in der Gegenrevolution in den Jahren 1848—49) hg. v. Erzsebét Andies (Budapest 1965) 267. 5S) Dieser Ernennung waren jedoch Besprechungen der ungarischen Regie­rung mit Hám, Lonovics und Szcitovszky vorangegangen; VA NdiV 321: Mon­tani an Soglia, 1848 September 11 Nr. 157. — In der Wiener Kabinettskanzlei sind keine Akten über diese Bischofsernennungen indiziert.

Next

/
Oldalképek
Tartalom