Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1886)

Die Eroberung von Ofen und der Feldzug gegen die Türken in Ungarn im Jahre 1686. (Mit eigener Paginirung)

1». Juui• 20. Juni. dass nach der Belagerung im Jahre 1684 ein Ingenieur aus Constan- tinopel in Ofen eingetroffen sei, um die Festung wieder herzustellen. Die Thätigkeit dieses Mannes habe sich hauptsächlich auf die Errich­tung einer neuen, von der Oberstadt bis an die Donau reichenden Mauer beschränkt, weshalb die Breschen theilweise nur mit Lehm und Schutt verlegt, sodann aber die Mauern übertüncht wurden. Die Festung solle mit einer Besatzung von 10.000 Mann auserlesener Truppen und 200, grösstentheils neuen Geschützen versehen sein und hinlängliche Munition besitzen, dagegen aber an Getreide und Fourage keineswegs Überfluss haben. Von dem Commandanten Abdurrahman (Avdi) Pascha, der sich später durch seine Ausdauer, Tapferkeit und Umsicht die Achtung der Belagerer erworben hat, behauptete der Deserteur, derselbe sei bei den Truppen nicht beliebt und habe durch sein ganzes Leben mehr Eignung zu einem Kaufmanne als zu einem Soldaten bewiesen. Endlich solle die Bevölkerung muthig und ent­schlossen und besonders die zahlreiche Judenschaft zum hartnäckigen Widerstande bereit sein. Am frühen Morgen des folgenden Tages (19. Juni) visitirte der Generalissimus die von seinen Truppen bezogenen Stellungen und brachte hiebei in Erfahrung, dass die Türken, ebenso wie im Jahre 1684, das Blockhaus auf dem St. Gerhardsberge (Blocksberge) geräumt hätten. Nach seiner Rückkehr in das Hauptquartier trafen der Chur­fürst von Bayern und der Markgraf Ludwig von Baden zu einer län­geren Besprechung bei ihm ein, nach deren Beendigung der Churfürst zu Pferde stieg und die Festung bis an den Abhang des Blocksberges umritt. — Aus der Stadt fuhren zwei türkische Czaiken gegen die Insel Csepel, wahrscheinlich um die Nachricht von der Ankunft des Bela­gerungsheeres von Ofen an den Grossvezir Suleiman Pascha zu über­bringen, der bei Belgrad das feindliche Hauptheer concentrirte. — Gegen Abend lief im bayerischen Lager die Nachricht ein, dass 1000 Tataren von Szegedin aus gegen Kecskemét gestreift hätten, worauf Max Emanuel sogleich die Wachen verdoppeln liess. Der Churfürst von Bayern sandte am 20. Juni alle seine Generale und Ingenieure zur Recognoscirung des Ofener Schlosses ab und begab sich dann in das Hauptquartier Lothringen’s, in welchem sich die gesammte Generalität zu einem Kriegsrathe versammelte. In diesem wurde endgültig beschlossen, zwei Hauptangriffe zu unternehmen, und zwar sollte der des Generalissimus gegen die untere Stadt (Nordseite), der des Churfürsten gegen das Schloss (Südseite) gerichtet werden. — Im Laufe des Nachmittags unternahmen 600 Türken einen Ausfall auf den kaiserlichen Train, wurden aber durch die National-Truppen und einige Escadronen Dragoner, welche der in der Nähe befindliche Herzog von Lothringen sofort hatte aufsitzen lassen, unweit des Gottes­ackers zurückgeworfen und bis an die Enceinte der Wasserstadt ver-

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