Buza Péter - Gadányi György: Kopf Hoch! - Unser Budapest (Budapest, 1998)

Emil Gerstenberger war ein Baumeister, der sich beson­ders mit der Ausführung von Bauten beschäftigte. Die Kunde von dem Hochwasser in Szeged - und den groß- angelegten Plänen für den Wiederaufbau - waren der An­laß gewesen, daß er Ende der 1870er Jahre aus Sachsen nach Ungarn kam. Ein Jahrzehnt später zog er nach Bu­dapest und verdingte sich bei Ignác Alpár; er arbeitete auch an der Verwirklichung mehrerer Plane des Meisters mit, auch beim Bau der Burg Vajdahunyad im Stadtwäld­chen. Aber zuerst - wahrscheinlich im Jahre 1890 - errich­tete er für sich selbst ein ganz außergewöhnliches Wohn­haus auf der ehemaligen Csömöri út, heute Thököly út, dessen größte Eigentümlichkeit gerade eine komische, turmartige Kuppe! war. Der Meister plazierte sie so, daß es sie gab und auch wieder nicht. Sie schaute auf den Hof, und nur von dort aus konnte man sie gut sehen. Bis zur Jahrhundertwende wurde die Villa der wachsen­den Familie und des Vermögens wegen zu eng. So emp­fand Emil Gerstenberger dann auch einen regelrechten Palast nicht als Übertreibung; unter Mitwirkung von Ignác Alpár bei der Planung erbaute er 1906 auf dem Rosenhü­gel ein romantisches Burgschloß mit vielen Türmen. Er wohnte dort gut zehn Jahre lang, von hier aus leitete er sein erfolgreiches ünternehmen, und nur dann entschloß er sich zu dessen Verkauf, als um 1918 ein dem Gebäude wirklich würdiger Interessent ein Angebot machte. Erzher­zog Dr. Joseph Franz, der Enkelsohn der Erzherzogin Klo­thilde (ihr Mietshaus mit Turm steht in der Váci utca), ein Mitglied der vornehmen Pester Gesellschaft, war der Kauf­anwärter, der jedoch nach dem Gewohnheitsrecht nicht un­mittelbar von einem „Außenseiter“ kaufen durfte. Deshalb bat er den einen Grafen Erdödy, das schöne Haus mit den vielen Türmen zu erwerben und es ihm danach, nun schon als königliches Gebäude, weiterzuverkaufen. So geschah es dann auch, und 1924, als der Erzherzog die sächsische Prinzessin Anna zum Altar führte, konnten sie in ein Haus einziehen, das einem Grafen gehört hatte, wenn auch die prunkvollen Möbel von den Gerstenbergers stammten. Mit dieser Geschichte endet die stark unvollständige „Be­standsaufnahme“ der Türme und Kuppeln von Pest-Buda. Sie führt uns dorthin zurück, wo diese Mode und das Märchen begonnen haben: zum Geschmack der Könige, vom Geschmack der mutigen Bürger, die sich mit ihnen zu messen wagten. 55

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