Prakfalvi Endre: Sozialistischer Realismus. Architektur in Budapest 1945-1959 - Unser Budapest (Budapest, 1999)

„deren Umstände der planende Architekt bestimmte und damit mit seiner Arbeit für die menschlichen Freuden geeignet machte oder machen konnte. Wie und auf welche Weise kann er das tun? In erster Linie und hauptsächlich dadurch, daß er mit größter Sorgfalt die Umstände und den Ort jeden Mo­ments des Familienlebens gut bestimmt, beginnend mit dem Vorzimmer, wo Mäntel und Hüte ihren Platz haben, bis hin zum Wohnzimmer, wo jedes Familienmitglied den Ort seiner eigenen Lebensfunktion findet: die Fau ihr Hähtischchen, das Kind seine Spielecke, der Schülersei­nen Schreibtisch, der heimkehrende Mann den Ort, wo er sich bequem hinsetzen, seine Beine ausstrecken und mit der Frau und den Kindern sprechen kann, während er über der gut bemessenen Fensterbank den rosafarbenen Abendhimmel und den sich davor abzeichnenden Baum sehen kann oder wo er, wenn er dazu Lust hat, friedlich lesen, schreiben, musizieren kann, unterdessen kann die Ehefrau ohne besondere Mühe in der gut eingerichteten Küche das Abendbrot zubereiten, und ist er von der Arbeit müde, kann er sich im Schlafzimmer hinlegen - ohne da­mit das Leben der anderen zu stören, sie zum Schweigen zu verurteilen -, wo ihn früh beim Erwachen die Son­nenstrahlen begrüßen. So könnte ich noch lange fort­fahren... Die Fürsorge des Architekten muß so weit ge­hen, daß er auch den Platz jedes einzelnen Möbelstückes bestimmt, damit der zwischen den Möbeln frei bleibende Raum für die Lebensbewegungen ausreicht. “ In Wirklichkeit waren die Meinungen der befragten Bewoh­ner des „Punkthauses“ am Donauufer (damals Mónus Illés rakpart), die in der Fachpresse und in der Zeitschrift Sza­bad Nép (Freies Volk) erschienen, folgende: mit der Ein­teilung der Wohnung und der Größe der Zimmer sind sie zwar zufrieden, aber es wäre besser gewesen, wenn neben der Küche nicht das WC, sondern die Speisekammer läge, die Fenster verziehen sich, das Parkett wird buckelig und vom vierten bis zum achten Stock gibt es kein warmes Wasser, weiter ist das Flachdach undicht, der Putz brök- kelt ab, es fehlen die Eisenhalter für die Fahnenstangen und man brauchte auch ein-zwei öffentliche Telefonzellen. Der 53. Paragraph des XX. Gesetzes aus dem Jahre 1949 besagt: „Die Ungarische Volksrepublik unterstützt nachdrücklich [...] die das Leben des Volkes, seine Kämp­fe und die Wirklichkeit darstellende sowie den Sieg des Volkes verkündende Kunst...“ Diesem entsprachen die pu­ritánén, das Bauhaus zitierenden Fassaden kaum. Diese 23

Next

/
Oldalképek
Tartalom