Gábor Eszter: Budapester Villen - Unser Budapest (Budapest, 1997)

Pellerhaus erinnernder Giebel mit reicher Bauplastik. Der Gegensatz zwischen strengem Grundriß und malerisch ge­stalteter Fassade zeugt von der Cingeübtheit des Architek­ten Petschacher, der zur Zeit des Entwurfs der Weninger- Villa noch Anfänger war. Die Fassaden-Akzente sind der Bedeutung der dahinter liegenden Räume nicht angepaj3t. Auf der durch den geschlossenen Balkon und den Giebel hervorgehobenen rechten Seite gab es auf beiden Etagen unbedeutende kleine Zimmer, von je zwei größeren Zim­mern - im Erdgeschoß Salon und Speisezimmer - einge­faßt. Dies kann jedoch nichts daran ändern, daß die We- ninger-Villa wohl die harmonischste Villa der Andrássy út war, die Sichtsziegel und der gemeißelte Stein sowie die verputzten Oberflächen ergänzten sich gut, die original grü­nen Dachziegeln krönten sozusagen die malerische Wir­kung des Gebäudes. ln der Villa des CIniversitätsprofessors Kálmán Szily (And­rássy út 106., Alajos Hauszmann, 1876 - heute nicht mehr erhalten) gab es im Erdgeschoß den Salon, das Speise­zimmer, das Arbeitszimmer des Hausherrn, im ersten Stock das Schlafzimmer, das Kinderzimmer und das Gästezim­mer, also insgesamt nur sechs Zimmer. Von ähnlicher Ein­teilung und Größe war auch die nachbarliche Villa des Eisenbahningenieurs und späteren Innenministers Károly Hieronymi (Andrássy út 108., Petschacher, 1876 - heute nicht mehr erhalten). ln den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hat­ten die wohlhabenderen Bürger Budapests kaum höhere Ansprüche als die Kleinbürger. Sie bauten keine großen Räume, die Zimmer wiesen, was die Maße betraf, kaum Unterschiede auf, sogar die Räume im ersten Stock wi­chen kaum von denen im Erdgeschoß ab. (Es ist anzu­nehmen, daß die Bauform verschieden war; da die Origi­nalpläne jedoch nicht erhalten geblieben sind, können wir mangels Interieur-Fotos oder Zeichnungen nichts Genau­es darüber sagen.) Nach hundertzwanzig Jahren können wir leicht behaup­ten, daß die Grundstücke an der Andrássy út deshalb klein waren, weil anscheinend die Ansprüche des wohlhabenden Bürgertums dem Niveau der Kleinbürger nahe standen. Ludwig Hevesi, der später als Chronist der Wiener Sezession bekannt gewordene Publizist, schildert in seinem 1876 er­schienenen Büchlein (Karcképek az ország városából - Radierungen aus der Stadt des Landes) die Villen den Su­gár (später Andrássy) út voller Ironie. Als er sein Büchlein verfaßte, standen schon fünf Villen fertig da, eine davon die oben erwähnte Weninger-Villa. 16

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