Ferkai András: Geschäftsfassaden - Unser Budapest (Budapest, 1996)
Zum Bild unserer Städte, ja zum Begriff der Urbanität gehören pulsierende Geschäftsviertel voller Schaufensterreihen, wo alte und neue, elegante und alltägliche, geschmackvolle und auffallende Geschäfte dicht beieinander stehen, einfach dazu. Das „Erdgeschoß der Stadt“ haben wir Tag für Tag vor Augen. Es beeinflußt unser Allgemeinbefinden viel mehr als die Gebäude an sich, da ein Einheimischer seinen Blick selten über die Schaufenster hinaus richtet - daran erkennt man den Touristen. Die Auslagen der Geschäfte betrachtet jedoch jeder gerne. Ist das Ziel des Anblicks auch eher die Ware an sich, so bemerken und bewerten wir doch das Arrangement der Warenartikel, die Art der Präsentation, ja sogar den architektonischen Rahmen. Das Schaufenster und die Fassade eines Geschäftes spielen dabei eine wichtige Rolle, bewirken, daß ein Laden unsere Aufmerksamkeit und unser Vertrauen erweckt oder wir nur gleichgültig daran Vorbeigehen. Die Geschäftsfassade ist eine vergängliche Kunstgattung. So wie Ansprüche und Moden sich ändern, Besitzer einander ablösen, so ändern sich auch die Außenansichten der Geschäfte, sie werden umgebaut, erweitert oder modernisiert. Sie wurden nicht für die Ewigkeit gebaut, ihr Schicksal bestimmten stets Aufschwung oder Rückgang des Handels. Die Geschäftsfassade ist ein treuer Spiegel der Handelskultur und allgemeinen Kultur einer Epoche. Fachkenntnis, Arbeitskultur und Anspruch - oder auch Anspruchslosigkeit - des Herstellers sind davon klar ablesbar. Die Geschäftsfassaden Budapests erzählen von etwa eineinhalb Jahrhunderten Geschichte. Während dieser Zeitspanne kann die Handelskultur auf Höhepunkte und Glanzzeiten, nicht selten jedoch auch auf Tiefpunkte zurückblik- ken. Während der Belagerung der Stadt in den Jahren 1944-45 und zur Zeit der Straßenkämpfe im Jahre 1956 wurden zahlreiche Geschäftsfassaden zerstört; die Verstaatlichung des Privathandels im Jahre 1948 und die folgenden 40 Jahre zentralisiertes Wirtschaftssystem haben ebenfalls ihren Teil dazu beigetragen. Es ist wirklich ein Wunder, daß aus der früheren Zeit des Ladenbaus überhaupt noch etwas erhalten geblieben ist. Vom Gewölbeeingang bis zür Geschäftsfassade Die Ladenfront erschien erst auf einer bestimmten Stufe der Handelsentwicklung, in Osteuropa Mitte des 19. Jahr5