Bodor Ferenc: Die Pressos der Stadt - Unser Budapest (Budapest, 1992)

Kisposta (kleine post) Eine uralte Institution verbirgt sich hinter dem Großen Po­stamt der Krisztina körút. Zur Raumabteilung angefertigte, durchleuchtete, post-historische Meisterwerke trennen die Welt der durchgehenden Gäste vom tieferen Innenraum. Dort stehen eine Trommel und ein kleines Piano, darauf eine Schirmlampe traditionsverbundener Form. Reliefartig an der Wand hängen geflochtene Trockenblumengebilde, ln der Mitte tanzt Herr Anton auf eine schwungvolle Nummer mit einem Mädchen aus Zsámbék solala. Sooft sich ihre Jacken aus Kunstseide aneinanderreiben, springen kleine elektrische Funken über. Daß der Kühltresen leer steht, stört hier wohl niemand, nicht einmal die strammen, schnurrbärtigen, bestie­feiten Telegrammzusteller kommen so regelmäßig wie früher. Nur noch einige dunkelgekleidete Briefträger mit ihren schwarzen Zustelltaschen — alten Brummfliegen gleich — nippen in der ersten Freude über den Feierabend zerstreut an ihrem Bier. Es ist so ein gewöhnlicher Abend im Frühling, mit warmen Lichtern, frischer Regenluft, diskreten Razzien, tief und ausgelassen gähnenden Gästen. Die Polstersessel bieten bis in die tiefste Nacht hinein Ruhe und Erholung. Buda legt sich allmählich zur Ruhe. Beim Zeitungsverkäufer der Nacht schafft man sich bunte Illustrierte an, die quergefaltet in der Manteltasche verschwinden, wie die schäbigen Lichter des Abends und die Lebenslust der Gäste. XII., KRISZTINA KÖRÚT 2-4. Kisposta 4 49

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