Korniss Péter: Innenhöffe - Unser Budapest (Budapest, 1993)

So vierzig Tage danach erschien ein rabenartiger Vogel. Stundenlang kreiste er im aufsteigenden trägen Nebel, bis er schließlich zerzaust und bis zum äußersten erschöpft auf einer glänzenden Antennennadel sitzen blieb. Er schritt nach rechts und nach links, wartete, beobachtete. Dann verschwand er plötzlich. ln der Nähe des Antennenmastes löste sich noch am selben Tag ein Dachziegel los. Lautlos rutschte er das Dach hinunter, durchquerte die Dachrinne und fiel mit kurzem hellem Platsch ins Wasser. (Jnd schwebte von Stockwerk zu Stockwerk abwärts. Auf seinem Weg zuckten Gardinenspitzenfetzchen, sich in Blätter auflösendes Zigarrenende und pergamentdünne Putzstücke mit langsamen Reflexen zur Seite. Auf dem herausragenden Ast eines Vogelbeerbaumes fing mit ein wenig Verspätung die glasig-braune Speckschwarte an zu baumeln, glitt mit dem Nylonstrick vom Ast, flog herunter und blieb auf dem in Würfel aufgeweichten Granit liegen. Abseits wiegte sich in abgegerenzten Flecken das meterhohe gelbe Gras wie Seetang. Und als das Ziegelstück, mit der Oberfläche dumpf am Boden aulprallend, schließlich unten ankam, schnellte zusammen mit dem aufgewirbelten lockeren Schlamm und dem feinkörnigen Schutt ein korallenroter Klingelknopf hervor, üm ihn herum zickzackten in genormten schmalen Kunststoffstreifen Briefkastenschilder wie aufgescheuchte kleine Fische. Und einige Tage danach kehrte langsam Ruhe ein, und das Wasser stand in unbeweglichen, schmutziggelben Blöcken. Auf der Oberfläche schwammen Hirsehalme, in Flecken Federn und aufgeschwemmte Krümel. Gegen das Stockwerkfenster gedrückt, ein aufgedunsener getigerter Katzenkadaver, um ihn herum bildet das Wasser ein braunrotes Muster wie der Scharlach, während unter der Dachrinne auf einem durchgeweichten Stück Karton die Feuerschutz-Hausordnung mit großen orangefarbenen Buchstaben schwebte. Und währenddessen fing es wieder und wieder an zu regnen, und auf den Wasserspiegel fiel in dichten, bärtigen Bündeln Dill. Und einige Tage danach erschien im aufsteigenden trägen Nebel ein taubenartiger Vogel. Zerzaust und bis zum äußersten erschöpft blieb er auf dem stumpf glänzenden Blech sitzen. Er schritt nach rechts und nach links, wartete, beobachtete. Bis langsam, fast unmerklich der Wasserspiegel zu sinken begann ­und jetzt sinkt er und sinkt er. 28

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