Gerle János: Die Jahrhundertwerde - Unser Budapest (Budapest, 1993)

vollständig erhalten gebliebenen Interieurs der Korridore und der Vorhalle sind für die Bemühung der Jahrhundertwende um eine Gesamtkunst, um das sogenannte Gesamtkunstwerk charakteristisch, über Miksa Róths vielfältige, eigenhändig entworfene, farbige Bleiglasfenster und die phantastischen, metallüberzogenen Keramiken der Zsolnay Fabrik hinaus verdienen die Arbeiten der Gödöllöer Künstlersiedlung beson­dere Aufmerksamkeit, darunter in erster Linie die Fresken von Aladár Kőrösfői Kriesch. Das im Etagenvorraum ausgestellte Werk: Die Kunst als Quelle des Lebens ist ein Repräsenta­tionsdokument der - verspäteten - präraffaelitischen Bewe­gung in Ungarn. Wir setzen unseren Weg auf dem Nagykörút in Richtung Dob utca fort. Gerade auf diesem Wegstück liegt das Hotel Royal, seinerzeit eines der größten und vornehmsten Hotels in Mitteleuropa, das von Rezső Ray, der aus der Schweiz nach Ungarn übersiedelt war, noch in den achtziger Jahren entwor­fen wurde. Von einer extravaganten Idee geleitet baute er für die in der Einleitung schon erwähnte Tausendjahrfeier der Landnahme die beiden Pavillons der an der ungarischen Ölindustrie beteiligten Aktiengesellschaften aus lauter Öl­fässern und in östlichem Stil auf. Sein Sohn, Rezső Ray jr., war ebenso um besondere Formen und Konstruktionslösungen bemüht. Sie liegen zwar außerhalb der Routen, von ihren Werken sind jedoch sehr empfehlenswert: der Wasserturm (1911) auf der Margareteninsel (Margitsziget), das Törley Mausoleum (1911) in Budafok und die Fernsprechzentrale (1910-1916) am Horváth Mihály tér. Seine bahnbrechend neuartigen Stahlbetonkonstruktionen hat er mit dem Ingeni­eur Szilárd Zielinszky zusammen geschaffen (dieser war der Ingenieur des ersten Budapester Kommunalgebäudes sol­cher Konstruktion - nämlich der Musikakademie.) Unweit vom Hotel Royal finden wir in der Dob utca 85 die von der Hauptstadt 1905-1906 in Bau gegebene Elementar­schule (Armin Hegedűs). Die Ergebnisse der zur Planung angestellten Voruntersuchungen und Messungen publizierte der Architekt in Zeitschriften, sodaß wir genau wissen, mit welcher Sorgfalt er ein jedes Detail ausarbeitete, um den pädagogischen Anforderungen gesunder Kindererziehung gerecht zu werden. Im Lehren erblickte er - auf eine selbst in der Pädagogik neuartige Art - eine Kunst und wollte dem Einklang zwischen diesen beiden Künsten (der Architektur und dem Lehren) dienen. Außer dem von Ödön Lechner eingeführten System von funktionstüchtigen Fenstern an der Vorderseite sowie dem Ziegelmuster, das die gesamte Fläche in ein riesiges, reichbesticktes Zaubertuch verwandelt, erschei­nen in spielerischen Mosaikbildern dargestellt sogar die Erzie­hungsideale der Zeit und die Ereignisse des kindlichen Da­36

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