Gerle János: Die Jahrhundertwerde - Unser Budapest (Budapest, 1993)

stere ist mit der Person Ödön Lechners verbunden, dessen nationales Ansinnen sich aus dem Geist des Historismus entfaltete. Statt der geschichtlichen Stilelemente, die durch die Integration des üngarntums in die christliche Kultur von außen in das Land getragen wurden, griff er Formen auf, die er für ursprünglich ungarisch hielt, die ihm daher geeignet schienen, einen ungarischen Nationalstil zu begründen. Die Elemente der nationalen Formsprache schöpfte er aus der Folklore, seiner Überzeugung nach sei allein in ihr die eigen­tümliche Formsprache der Zeiten vor der Landnahme erhal­ten geblieben und zu neuem Leben zu erwecken. Diese Form­sprache wollte er aber im Geiste der neuen Zeit wiederbele­ben: Lechner war ein großartiger Konstrukteur und Neuerer seiner Zeit, er machte von Stahlkonstruktionen sowie von neuartigen Baumaterialien, vorzugsweise von Keramik, auf eine bahnbrechende und großzügige Art und stets mit ausge­gorener künstlerischer Konzeption Gebrauch. Bei seiner dreijährigen Arbeit in Frankreich begann er sich mit Fragen der Stilentstehung (und Stilschöpfung!) zu befas­sen. Aber erst 1889-90 erhielt Lechner auf seinen Reisen durch England (hier lernte er die östliche Gebäudekeramik und den Kolonialstil mit ihren Versuchen kennen, das Moder­ne mit dem Traditionellen zu verschmelzen) jene ausschlag­gebenden Eindrücke, die zur Entfaltung seines eigenständi­gen Stils zu Beginn der neunziger Jahre führten. Lechner, dessen Ausgangspunkt von den Stilrichtungen der westlichen Jahrhundertwende unabhängig war, begann wie auch diejenigen Architekten, die als erste die neuen euro­päischen Stilvarianten ins Land holten, seine durch und durch neue Architektur in Budapest zu verwirklichen (mit der Aus­nahme des Rathauses von Kecskemét, das ein bedeutender Vorläufer ist). Der Einfluß des Westens zeigt sich in Budapest zur Mitte der neunziger Jahre zuerst in der Anwendung exotischer und symbolischer Elemente. Frigyes Spiegel füllte die traditionel­len Fassaden der Mietshäuser mit allegorischen Szenen und Figuren, leitete dabei aber gleichzeitig auch einen Kampf für die Modernisierung des Wohnrauminneren ein. Nicht nur die künstlerische Botschaft war ein revolutionäres Novum, son­dern ebenso jene Haltung, die die Bedürfnisse aller Bewohner an die erste Stelle setzte. (VI. Izabella utca 94 und 96, 1896- 1897; VI. Bajcsy-Zsilinszky út 63, 1897; IX. üllői út 21, 1897- 1898.) Die grandiose Ausstellung, mit der das Land die Tausend­jahrfeier der Landnahme (1896) beging, und die - die folgen­de Formulierung taucht in dieser Gegend immer wieder auf - unser Aufschließen zu Europa voranzutreiben und nachzu­weisen berufen war, bot vielen neuen Impulsen, die später die 9

Next

/
Oldalképek
Tartalom