Ferkai András: Moderne Gebäude - Unser Budapest (Budapest, 2009)

zimmer. Auf der linken Seite befindet sich nach vorne hin an der Ecke eine abge­deckte Terrasse, auf der rechten ist sie hinten. Den Wohnraum öffnet ein Eck­fenster (zum Teil mit Schiebeflügeln), die Halle hingegen hat eine vierflügelige Bal­kontüre, die ziehharmonikaartig geöffnet werden kann. An der Rückfassade reihen sich vertikale Schiebefenster aneinander, das letzte Schlafzimmer hat - wie eine Antwort auf das Wohnzimmer - ein nach hinten blickendes Eck-Blumenfenster. Die für einheimisches Klima und Ansprüche gestaltete, vernünftige und schöne moderne Architektur bewies sich als zeitbeständig, in siebzig Jahren hat sie sich sozusagen gar nicht verändert. Schade, dass diese Auffassung sich nicht in breite­ren Kreisen verbreiten und zum Beispiel werden konnte. Farbfotos des Gebäudes finden wir in einer Thematischen Zeitschriftennummer aus dem Jahr 2001, die von Frank Lloyd Wright und seinen „ungarischen Nachfol­gern" handelt. Darin meint László Szekér, dass „die Organisation des Grundrisses an die Modelle der Usonian-Häuser erinnert, und enge Verwandtschaft zeigt mit denjenigen mit geraden raumorganisatorischen Lösungen". Gleichzeitig stellt er auch fest, dass ein direkter Einfluss des amerikanischen Meisters auszuschliessen sei, da der Entwurf dieses Hauses einige Jahre vor der ersten langwierigen Planung der Usonian-Häuser (1939) entstand. Beweise für eine direkte Beeinflussung gibt es wirklich nicht, das Zseltvay-Haus ist jedoch in Vielem den Planungsprinzipien Wrights verwandt. So sind z. B. die Zusammenfassung der Wohnzimmer in einen Raum, das Hervorheben des Gebäudesockels und die Ausdehnung durch horizon­tale Ebenen in die umgebende Natur, die „Licht-Mauer", welche die Fenster zusam­menfasst, und eine Verkleinerung der Anzahl verwendeter Materialien bis zum „Ein-Material"-Gebäude. Diese Prinzipien hatte Wright 1931 formuliert, basiert auf die zahlreichen, um die Jahrhundertwende in der Umgebung von Chicago gebauten Präriehäuser. Diese Schrift könnte László Szabó auch gelesen haben, auf jeden Fall kannte er jedoch die Präriehäuser, da schon 1910 und 1911 im deutschen Wasmuth- Verlag ein Album von den frühen Arbeiten Wrights erschienen war. Heute verste­hen wir in Ungarn unter organischer Architektur etwas anderes, doch scheuen wir uns nicht es auszusprechen: auch dieses ist organische Architektur, wenn hier auch keine einzige bogenförmige Linie, kein verzweigter Baum oder andere Urmotive Vorkommen. Bis zum Ende der dreissiger Jahre wurde die moderne Architektur in Europa wesentlich zurückgedrängt. Die totalitären Diktaturen verurteilten die moderne internationale Bewegung mit verschiedenen Begründungen gleichermaßen und rotteten sie in ihren eigenen Ländern praktisch aus. Ein Großteil der in 23

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