Ferkai András: Moderne Gebäude - Unser Budapest (Budapest, 2009)
die Avantgarde ihre Härte verliert und sich - vielleicht gezwungenermaßen — dem Angenehmen, der Bequemlichkeit zuwendet. Auch dafür gab es Vorbilder, Erich Mendelsohn hatte schon von der Mitte der zwanziger Jahre an seine schwungvoll gebogenen mondänen Kaufhäuser und Lichtspieltheater gebaut. Abgekantete Masse und abgerundete Formen charakterisierten auch die Gebäude von Hans Scharoun, in den Orten an der Meeresküste hingegen wurde die Formenwelt der Ozeandampfer modern, eine Art „nautischer" Stil. Denken wir nur an die südenglischen Urlaubshotels aus den Poirot-Filmen, die modernen Gebäude in den Urlaubsorten am Schwarzen Meer, an der Adria-Küste oder in der polnischen Hafenstadt Gdynia! Die Mode des stromlinienförmigen Entwerfens hing nicht nur mit den Schiffen zusammen. Damals begann man auch die Karosserien der Wagen und Flugzeuge den Gesetzen der Aerodynamik nach zu gestalten. Es gibt einen tschechischen Architekten (Vladimir Grégr), der gleichzeitig stromlinienförmige Villen für die Stars der Prager-Barrandower Filmfabrik und Sportwagen für die Skoda-Autowerke entwarf. Als Kind beeindruckte mich stets auf unseren Spaziergängen am Kleinen Schwabenberg ein komisches Haus. Es sah aus wie ein gestrandetes Schiff. Nicht wie ein Kahn oder ein Segelboot - es war wie ein Ozeandampfer mit geschwungenem Bord, Kajüttenfenstern, Kommandobrücke und eleganten Salons. Später, als fertiger Architekt ging ich dem nach, was für ein Haus das wohl war, in der XII. Határőr út 2i/A. Zum Glück gab es die Pläne im hauptstädtischen Planarchiv noch, so erfuhr ich, dass Zoltán Révész es 1937 für den „gnädigen Herrn Géza Holitscher” entworfen hatte, der sein Ingenieursdiplom an der Züricher Eidgenössischen Technischen Hochschule erworben hatte und, wie auch sein Vater, Mitbesitzer der Engel Károly Werke (EKA) war. Ich kann mir nicht vorstellen, wie dieser wohlhabende, bereiste Herr mit dem viel jüngeren, vom Schicksal benachteiligten Architekten zusammengekommen war. Zoltán Révész (1907-44) hatte 1929 an der Buda- pester Technischen Univerität absolviert, erhielt in den Jahren der Weltwirtschaftskrise jedoch kaum Arbeit. Er malte Perspektiven, fertigte Modelle an, entwarf Möbel und Einrichtungen. Er war Mitglied der ungarischen CIAM-Gruppe, nahm an der Organisation ihrer Ausstellungen teil, ln der Zeichenschule von Álmos Jaschik und der Gruppe für Ausdrucksgymnastik von Aliz Madzsar lernte er junge Frauen kennen, die in der illegalen kommunistischen Bewegung waren. Einer von ihnen, Ági Popper, hatte er seinen ersten verwirklichten Auftrag zu verdanken, eine „Spielschule” (eigentlich ein reformpädagogischer Kindergarten) am Rosenhügel (II. Palánta utca 15). Ein anderes bedeutendes Gebäude, eine elegante Zwillings-Mietvilla (II. Pasaréti út 117) musste er unter dem Namen von József Fischer 18