Matits Ferenc: Protestantische Kirchen - Unser Budapest (Budapest, 2003)

Es ist schon fast ein halbes Jahrtausend her, daß jene protestantischen Glaubens­gemeinden entstanden, aus welchen sich dann später die ungarische evange­lische, reformierte bzw. die unitarische Kirche entwickelte. Die sich schnell ver­breitenden Lehren Martin Luthers wurden 1521 in Ungarn für ketzerisch erklärt - im gleichen Jahr wie in Deutschland. Den 1523-er Budaer (Ofener) und 1525-er Krebsfelder (Räkosmezeier) Parlamentsbeschlüssen zufolge wurden die Anhän­ger und Gönner der Reformation zu Verlust von Kopf und Vermögen verurteilt. In den Gebieten, welche nach der Niederlage von Mohács (1526) zum von den Habsburgern regierten Königreich Ungarn gelangt waren, wurden die pro­testantischen Gottesdienste meist in Privathäusern oder im Freien abgehal­ten, wodurch die Liturgie verändert wurde und sich größtenteils auf die Predigt beschränkte, ln Siebenbürgen wurden im Sinne des Beschlusses der Land­tage der Jahre 1556,1564 und 1568 der katholischen, der evangelischen und der reformierten Kirche die gleichen Rechte gesichert, ln den unter türkischer Herrschaft befindlichen Gebieten des Landes - so auch in Pest (Pesth) und Buda (Ofen) — gab es bis zur Rückeroberung protestantische Gemeinden. Der Bey von Buda trat in dem 1574 in Nagyharsäny und im nächsten Jahr in Buda geführten Disput über den Glaubensstreit zwischen der reformierten und der unitarischen Kirche als Schiedsrichter auf. Nach der Vertreibung der Türken kamen nach Buda, Óbuda und Pest sowie in die entvölkerten Dörfer aus der Gegend von Buda fremdländische Siedler, vor allem aus Deutschland. In Budafok siedelte der Gutsherr Prinz Eugen von Savoyen 1736 deutsche katholische Familien an. ln den drei Orten am Donau­ufer, die später die Hauptstadt bilden sollten, durften sich bis zum Ende des 18. Jahrhunders keine Protestanten niederlassen. 1781 erließ Joseph 11. das Toleranzpatent, welches innerhalb bestimmter Schranken die Glaubensausübung der Protestanten und die Organisation ihrer Kirchen ermöglichte. Unter Leopold II. gewannen die Protestanten Ungarns am Landtag von 1790-91 das Recht, Kirchen zu bauen, die sich zur Straße hin öffneten, einen Turm sowie eine Glocke hatten. Die Lutheraner organisierten 1787 ihre Kirche in Pest und hielten 1791 ihren allgemeinen Kirchentag, auf welchem beschlossen wurde so schnell wie mög­lich eine Kirche, ein Pfarrhaus und eine Schule in der Stadt zu bauen, ln Pest gab es damals 50 000 Einwohner, davon waren — abgesehen von den 700 luthe­ranerischen Soldaten der Garnison - 400 evangelischen und etwas weniger reformierten Glaubens. Die freie königliche Stadt Buda war ihrer topogra­phischen Gegebenheiten sowie der administrativen Rolle wegen weniger dicht besiedelt als Pest und hatte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts somit auch verhältnismäßig weniger protestantische Einwohner. 5

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