Szablyár Péter: Schritt für Schritt - Unser Budapest (Budapest, 2010)

des angesammelten Baumaterials vernichtet). Die an die Seitenwand geplanten Skulpturengruppen wurden schließlich nicht verwirklicht, ihr Fehlen störte die aus­gezeichnete Gesamtwirkung jedoch nicht. Die würdevolle Ruhe der so entstandenen Treppe, mit ihrem breiten Treppenabsatz in der Mitte, wird vom inneren Prunk­treppenhaus weiter verstärkt. Das Gebäude und sein Garten wurden 1848 bei Ausbruch der Pester Revolution zu einem bestimmenden, bis heute jedoch umstrittenen Schauplatz. Heute weiß man, dass nicht Petőfi auf den Treppen des Museums das seither zum Stoßgebet der Ungarn ge­wordene Gedicht aufsagte, sondern der Schauspieler Gábor Egressy. Im ungarischen nationalen Narrativ festigte sich jedoch diese Legende, die Gedenktafel an der Seiten­wand der Treppe hält sie auch lebendig, ebenso wie die jährlich am 15. März auf der Treppe abgehaltene staatliche Gedenkfeier. Diese historische Treppe wurde im 20. Jahr­hundert wieder zum Schauplatz politischen Protests. Am 20. Januar 1969 zündete sich hier der Budapester Student Sándor Bauer an, aus Protest gegen die damalige Diktatur. An ihn erinnert eine Gedenktafel an der Seitenwand der Treppe zum Kálvin tér hin. Wir fühlen uns fast wie Zwerge, wenn uns, zwischen den riesigen Säulen durch das gigantische Tor eintretend, ein beeindruckendes Raumerlebnis empfängt. Die auf eine Achse gereihte Eingangshalle, die runde Vorhalle und der Beginn der Haupttreppe lösen die Spannung des Eintritts, die Erwartung. Hier werden wir mit der Charakteristik des klassizistischen Rauminneren konfrontiert: der Großteil der Dekorationselemente ist antiken Ursprungs. Die visuelle Kraft der dreiarmigen Prunktreppe und der in eigen­artiger Ordnung stehenden Säulenreihe wird durch die besondere Lichteinwirkung noch gesteigert, die wie eine Stimmungsvorbereitung auf den Anblick des Prunksaals den Besucher sozusagen emporhebt. Dieses erreichte Pollack, indem er äußeres Licht nur durch die Fenster der Längsseite, bzw. vom Eingang her in den Raum fallen ließ. Die von der runden Vorhalle ausgehende dreiarmige Marmortreppe ist 19,28 Meter lang und 16,28 Meter breit. An ihren Längsseiten gliedert je eine Statuenreihe den Raum, die Ornamentik erhielt jedoch ihre endgültige Form erst nach dem Tode Pollacks. Verlassen wir die Treppe, kommen wir zuerst in die Vorhalle des Prunk­saals, in die Rotunde. Der Besucher wird wohl noch mehr beeindruckt sein, wenn er daran denkt, welch bedeutende historische Persönlichkeiten einst diese Treppen emporstiegen. 1848 wur­den hier schon die Sitzungen des Oberhauses des Parlaments abgehalten, 1861 und 1865 tagte hier das Parlament, nach dem Ausgleich wurde dann, bis zum Bau des Parlamentes am Donauufer, der Prunksaal wieder zum Sitzungssaal des Oberhauses. 27

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