Szegő Dóra - Szegő György: Synagogen - Unser Budapest (Budapest, 2004)

wurde mit einem von Förster präsentierten Tragwerk aus Gußeisen gebaut, welches in mehreren europäischen Ländern schon verbreitet war. Auch darüber debattierte die Jury, die ungarischen Mitglieder trauten der Tragkraft der noch unbekannten Konstruktion sowie dem Material nicht so richtig. Deshalb brachte Förster Wiener Fachleute als Begutachter, die den Entwurf für sicher erklärten. Auch Förster vertrat die Auffassung, daß zur Dekoration des Synagogenge­bäudes der orientalische Stil des Heiligen Tempels und der nahöstlichen Kirchen späterer Epochen der entsprechende sei. Als radikaler Vertreter der Richtung verkündete er in seiner Baubeschreibung, daß „ein israelitischer Tempel wenig­stens in seinen Hauptzügen dem geheiligten Ideal jedes Sakralgebäudes, dem Salomonischen Tempel entsprechen müsse". Er hob die aus mehreren Arten von Stein zu bauende Fassade hervor, die Verwendung glasierter Ziegeln, die sich ran­kende, flechtenartige Ornamentik und die erhöhten, bogenförmigen Arkaden - als die anzuwendenden Muster des damals aus zahlreichen Rekonstruktionen be­kannten Salomonischen Tempels. Auch in seinen Konstruktionseinheiten sollte das Gebäude die Wirkung des Salomonischen Heiligtums verwirklichen: die domi­nanten Elemente der Hauptfassade - die beiden Türme mit Zwiebelkuppeln - deuten auf die beiden Bronzesäulen des Jarusalemer Tempels hin - Jakin und Boas. Die Proportionen des Innenraums konstruierte Förster auf Grund der Zahlen aus der Bibelbeschreibung des Heiligtums. Die zwischen den damaligen zwei-dreistöckigen Häusern von Pest weit sicht­baren Türme der Synagoge sollten den Worten Försters nach an die beiden bibli­schen Königssöhne erinnern, in Wirklichkeit erinnerten sie jedoch eher an die Formen christlicher Kirchen. So wurden sie auch Teil des Ideals der Gleichberech­tigung der Juden und des Symbolsystems der Reformer. Die beiden Türme sind die perspektivische Fortsetzung der vorspringenden Risalitflügel, dazwischen befindet sich in der Mauerfläche des Haupteingangs ein riesiges Rosenfenster, darüber fünf kleinere Rosenfenster. Der Tympanon-Giebel mit den Gesetzestafeln auf dem Gesims zwischen den beiden Türmen ist ebenfalls mit der symmetrischen Konstruktion der christlichen Kirchen verwandt. Über dem Haupteingang ist ein Bibelzitat aus dem 2. Buch Mose zu lesen: „Und bereitet mir ein Heiligtum, auf daß ich unter euch wohne.” Diese Zeile drückt die neue Tempel-Idee der Neologie gut aus. Die Hauptfassade des mit Terrakotta-Ziegeln im Teppichmuster verkleideten Gebäudes bildet mit den umgebenden Gebäudeteilen eine Hufeisenform. Einst sprangen beide Flügel bis zur Straßenfront vor und bildeten vor dem Haupteingang von drei Seiten her einen geschlossenen Vorhof. An die Nebenflügel der Straßen­front schlossen sich zur Zeit des Baus noch klassizistische Wohngebäude. Im Ge­bäude auf der linken Seite wurde Theodor Herzl, der Vater des Zionismus gebo­28

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