Boros Géza: Statuenpark - Unser Budapest (Budapest, 2002)

„Die Lehrerin bringt einen ausgestopften Hasen mit in die Klasse. — Na, liebe Kinder, was ist das? Tiefe Stille. Aber, aber... das ganze Jahr hindurch habe ich davon gesprochen! - Der kleine Moritz meldet sich schüchtern. - Doch nicht Genosse Lenin selbst, Frau Lehrerin?" Mit diesem Witz beginnt der Artikel Leninsarten des Literaturhistorikers László Szörényi in der Nummer vom 5. Juli 1989 der unabhängigen Literatur­zeitschrift Hitel. Hier hatte der Autor zum ersten Mal die Idee eines Statuen­parks für die Standbilder auf öffentlichen Plätzen der kommunistischen Ära aufgeworfen. Der Vorstellung Szörényis nach hätten sämtliche Leninstatuen des Landes in Csepel, einem südlichen Bezirk Budapests versammelt werden sollen — aus Anlaß der für 1995 geplanten Weltausstellung. Im euphorischen Wirbel der Wende bewegte diese Idee die Phantasie zahl­reicher Menschen. Der Verband der ehemals in Recsk Internierten z. B. erließ einen landesweiten Aufruf, in welchem er darum bat, ihm sämtliche entfernten politischen Denkmäler zur Verfügung zu stellen. Diese wollte er dann in Recsk wieder aufstellen. Die Statuen sollten vor einer Felswand von 40 Quadratme­tern im Steinbruch von Recsk aufgereiht werden. „Der Ort wäre deshalb ideal für einen Statuenpark", erklärte der Präsident des Veteranenverbandes gegen­über der Zeitung Magyar Nemzet, „weil hier die Statuen nun friedlich neben­einander ruhen könnten, wo einst infolge der praktischen Verwirklichung der Ideen ihrer Inspiratoren ein Vernichtungslager stand". Das Lektorat für Kunst und Kunstgewerbe besichtigte auch das Terrain, die Vorstellung der einstigen Gefandenen stieß jedoch nicht auf ungeteilte Zustimmung. Es wurde nichts aus der Expo, dem Lenin-Freilichtmuseum und dem Recsker Denkmal-Internierungslager. Dafür wurde jedoch der Statuenpark verwirklicht­em Freilichtmuseum der aus der Hauptstadt entfernten politischen Denkmäler. Nach dem Ende des Parteistaates stellte sich die Frage, was nun mit den Sym­bolen des gestürzten Systems, welche auf öffentlichen Plätzen standen, geschehen solle. Spontane Aktionen verschiedener politischer Organisationen manifestier­ten sich in Denkmalzerstörungen und machten somit einen raschen Entschluß nötig. Schon einige Monate nach den ersten freien Kommunalwahlen beschäf­tigte sich der Kulturausschuß der Hauptstädtischen Generalversammlung im Januar 1991 mit der Regelung des Schicksals der Kunstwerke mit politischem Inhalt auf öffentlichen Plätzen. Die Hauptstadt bat die Selbstverwaltungen der Bezirke Vorschläge bezüglich der auf ihrem Gebiet befindlichen Standbilder zu machen. Auf Grund dieser Vorschläge entschied die Generalversammlung dann am 5. Dezember 1991 über die Entfernung bzw. Erhaltung der in Frage kommenden Statuen. Es wurde beschlossen, daß die Selbstverwaltung der Hauptstadt einen 5

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