Boros Géza: Statuenpark - Unser Budapest (Budapest, 2002)

Kunsthistoriker Sándor Kontha 1970 in der Moskauer Zeitschrift likuitwo fol­gendermaßen schreibt: „Das Bestreben und die Aufgabe unserer Künstler ist nicht die Errichtung eines Götzenbildes, sondern die möglichst getreue Dar­stellung jenes Men&chen, der zu fast übermenschlichen Taten fähig war." Kunstgeschichtlich betrachtet ist der Lenin Pátzays nur von mittelmäßiger Qualität. Er ist ein Übergangswerk, mit seinem konservativen Stil auf halbem Wege zwischen der sozialistisch-realistischen Tradition der Propaganda­skulpturen auf öffentlichen Plätzen und der gewagteren „entheroisierenden" Darstellungen der zweiten Hälfte der sechziger Jahre. Die alten, verblaßten Marmorverkleidungen mußten 1970 durch dauerhafteren schwedischen roten Granit ersetzt werden. Ende der achtziger Jahre wurde eine neue Restaurie­rung fällig, für welche der Hauptstädtische Rat mit erheblichem Kostenauf­wand Granit aus Schweden bestellte. Die Statue Lenins wurde - betont „zwecks Restaurierung" -1989 einige Tage vor dem Wiederbegräbnis von Imre Nagy und seinen Märtyrerkameraden vom Sockel gehoben. Es gab noch schwache Versuche, sie eventuell woanders aufzustellen, ihr Schicksal war jedoch ge­meinsam mit demjenigen des Systems, wofür sie stand, damals schon endgültig besiegelt. (Der bestellte Granit fand auch Verwendung: unter anderem für die Verkleidung des Denkmals für den von den Sowjetsoldaten ermordeten Bischof Vilmos Apor [László Marton, 1997I.) Lassen wir nun die Kulissenmauer hinter uns und treten durch das Tor ein, so müssen wir über das enge Gäßchen durch das „zerschnittene" Empfangsgebäude gehen und stehen plötzlich vor dem weiten Panorama des Parks. Vom Eingang führt ein pfeilgerader Weg in das Innere des Parks. Vom Weg zweigen symmet­risch drei thematische Promenaden ab und kehren wieder zu ihrem Ausgangs­punkt zurück. Die leicht gebogenen Promenaden bilden drei „liegende Achter", somit das mathematische Zeichen für die Unendlichkeit (00) zitierend. Vom Weg abzweigend, können wir uns frei auf den Promenaden bewegen, müssen von diesen Streifzügen jedoch stets auf den „wahren Weg" zurückkehren, der „eines und unteilbar" ist. Die endlose Promenade der Befreiungsdenkmäler 1945 bedeutet auch für die ungarische Denkmalplastik eine scharfe Epochen­grenze. Auf den Ruinen des Krieges entstand nicht nur ein neues politisches System, sondern auch eine neue Symbolik auf öffentlichen Plätzen. Wie auch in den anderen von den sowjetischen Truppen befreiten mitteleuropäischen 16

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