Boros Géza: Statuenpark - Unser Budapest (Budapest, 2002)

des Hauptportals kann man das mit einer Lötpistole daraufgeschriebene Ge­dicht von Gyula Illyés lesen. Die 200 Zeilen, welche ein riesiges und schroffes Relief bilden, sind sozusagen das Motto des Statuenparks. „Das Gedicht ist gleichzeitig eine Lektion in Selbstachtung sowie Geschichts­auffassung - es klagt nicht an, sondern warnt, verflucht und feindet jedoch nicht an —, dises Gedicht ist ein erstarrtes Murmeln, es strahlt eine vollständige Ohnmacht aus. Dieselbe Ohnmacht wollte ich auch drinnen im Park formulie­ren, derselbe Gedanke pulsiert auch durch die Stille, welche sich zwischen den thematisch aufgereihten Stein- und Bronzeriesen ausbreitet, wie aus dem Gedicht zu sich kommend mit den Worten: .Herrgott, was ist mit uns geschehen?!'" (Ákos Eleöd jun.) Das Gedicht von Illyés ist kein revolutionäres Gedicht und handelt auch nicht bloß von den fünfziger Jahren. Der Dichter György Petri sagt Folgendes dar­über: „Ein finstereres und erschütternderes Bild von der totalen Unmöglichkeit der menschlichen Existenz als dieses kann nicht gezeichnet werden." Nicht nur von seiner eigenen Zeit gibt das Poem ein verblüffend genaues Bild, sondern es vermittelt auch eine universal gültige Botschaft, beschreibt das allgemeine Wesen der totalen Macht. „Die Tyrannei handelt ausschließlich von der Macht, d. h. von sich selbst", schreibt Petri. „Sie ist in sich selbst geschlossen" - wie auch das endlose Promenadensystem des Statuenparks. „Sie legitimiert sich selbst, hat kein Ziel, keine Mission außer sich selbst, sie erfüllt nichts", genau wie die Ideen, in deren Zeichen diese Denkmäler entstanden. Die Kulissenwand wird zu beiden Seiten von je einer Mauernische mit bogenför­migem Abschluß durchbrochen, in denen zum Auftakt die Begründer der Idee, Marx, Engels und Lenin als Standbilder aus besseren Zeiten uns begrüßen. Die „unmenschlichen" Maße der Fassade beweist auch die Tatsache, daß die vier Meter hohen Kolosse darin bloß wie „nette kleine Nischenskulpturen" wirken. I. Das Marx—Engels-Denkmal (György Segesdi, 1971) Das zweifigurige Standbild der Schöpfer des wissenschaftlichen Sozialismus erhob sich ursprünglich am Jászai Mari tér neben der Zentrale der Ungarischen Sozia­listischen Arbeiterpartei (dem „Weißen Haus”). Bei der Einweihung betonte Mik­lós Óvári, Sekretär des Zentralkomitees der USAP, daß „das Denkmal mit seinen harten und klaren Konturen den revolutionären Geist des Marxismus aus- drücken solle, der auf die Tatsachen der Wirklichkeit achtet... - dessen Theo­rie, bewegende Kraft, den Schwung und die Zeitbeständigkeit". Der einstigen Charakerisierung des Kunsthistorikers Lajos Németh zufolge „ist die zweifigu­rige Statue eine in einem Block gehaltene, prismatische Konstruktion, mit Figuren 12

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