Faurest, Kristin: Zehn Budapester Plätze - Unser Budapest (Budapest, 2010)

Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in der Gegend zahlreiche Zigeunermusiker. Zigeunerorchester waren im 19. Jahrhundert in Europa und darüber hinaus über­all beliebt; aus Ungarn stammten so viele bekannte und weitgereiste Zigeuner­musiker, dass Zigeunermusik oft mit ungarischer Volksmusik verwechselt wurde. Zeitungsberichten aus den 1930er Jahren zufolge wohnten am Mátyás tér zahlrei­che Musikerfamilien. Eine Beschreibung erwähnt den Mátyás tér als allgemeinen Treffpunkt für Zigeunermusiker und ihre Familien; „Man trifft noch auf einige Pferdehändler, einige Handtuch- und Teppichverkäufer und an einem sonnigen Tag am Mátyás tér kann man auch Zigeunermusikanten im Gespräch miteinander erblicken, doch es fällt einem sofort auf, dass kaum junge Leute darunter sind... Es heißt, sie seien ausgewandert, oder hätten sich durch Erlernung eines Hand­werks .zivilisiert' und assimiliert und würden einen weiten Bogen um das Pester Zigeunerviertel machen.” Derselbe Zeitungsartikel beschreibt - reich an Einzelheiten nicht nur über das Leben in der Josephstadt der 1930er Jahre, sondern auch recht evokativ über die Einstellung der damaligen Zeit gegenüber der Zigeunerminderheit - dass man im Viertel viele Zigeunerdialekte hören konnte und oft großäugige Zigeunerkinder in bunten Trachten erblickte. Wenn eines der Kinder, meist umringt von kleine­ren Geschwistern, durch die Stadt ging und um Geld bat, würde man sich meist verpflichtet fühlen zu helfen. „Man kann dem Gedanken nicht entkommen, dass diese Kinder die letzten Mohikaner eines talentierten Volksstammes sind, die von Kindheit an den Weg der Erniedrigungen gehen..." Ein anderer Journalist, der die Musiker am Platz interviewte, erklärte in sei­nem Artikel sämtliche Ausdrücke der damaligen Zigeunersprache in Klammern, damit sein Publikum auch alles richtig verstehe. Die jungen Musiker reisten in die Schweiz und nach Paris, prahlten auch damit, dass sie vielleicht bald nach New York oder Hollywood geschickt würden. Der Chef (in der Zigeunersprache „góré") staffierte sie mit 6 Hemden, 6 Hosen, einem Jägerhut, Lederhandschuhen und einer Pelzjacke aus. Es kam oft vor, dass Halbwüchsige als Musiker den Unterhalt für eine ganze Familie verdienten, für die zahlreichen Geschwister und alternden Eltern. Ein anderer Journalist meinte: „Babári ist ein guter Musiker, trotzdem kann er nicht in eine Kapelle eintreten, weil er schon zu alt ist. Er ist 32 Jahre alt, hat 5 Kinder und das sechste ist auch schon unterwegs.” Ein Zeitungsbericht aus den 1930er Jahren nannte der Platz: „Schäbig wie 40

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