Prakfalvi Endre: Römisch-katholische Pfarrkirchen in Budapest - Unser Budapest (Budapest, 2003)

Beispiel der ursprünglichen modernen Architektur (der Zwischenkriegszeit) sein können! Das Schicksal seines Torsos ist auch weiterhin unsicher, seine Rettung würde aber die ungarische Architekturgeschichte bedeutend bereichern. Die Allerheiligen-Pfarrkirche, 1977 XII. Bezirk, Wolfswiese (Farkasrét), Ecke Németvölgyi út — Hegyalja út „Alle Heiligen des Herrn, betet für um!” (Fragment aus der Litanei zu Allerheiligen) Der Allerheiligentag (1. November) ist die Verklärung all jener Heiligen, die im Kalender nicht namentlich genannt werden. In der Praxis ist dieser Tag der Vor­abend (vigília) von Allerseelen, dem Totengedenktag. Während der Belagerung der Hauptstadt im Zweiten Weltkrieg wurde die Fried­hofskirche Heiliger Johannes in Farkasrét (1936-38, von Ferenc Módos und Virgil Krassói entworfen) zerstört. Aus ihren Fragmenten wurde ein Kolumbarium ge­baut. Nach Plänen von Imre Makovecz entstand hier 1977 die Friedhofskapelle- Leichenhalle, ein wichtiges „innenarchitektonisches" Werk der ungarischen or­ganischen Architektur. Seinen eigenen Worten nach wollte Makovecz diese „ähnlich dem Inneren des menschlichen Brustkorbes gestalten...der Tote liegt am Ort des Herzens". Der Raum erinnert einen Christen auch an das Innere des gro­ßen Fisches, welcher den Propheten Jona verschlungen hatte, das Ereignis hatte Christus auf sich selber, auf seine Auferstehung bezogen: „So wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Seeungeheuers war, so wird auch der Menschen­sohn drei Tage und drei Nächte in der Tiefe der Erde verborgen sein." (Mt 12,40). Die neue Kirche steht gegenüber des Haupteingangs zum Friedhof, anstelle der Ruinen eines früheren Gasthofes. Die Bauarbeiten mussten so stattfinden, daß dabei der in dem aus den Ruinen improvisierten Gebetshaus abgehaltene Gottes­dienst nicht gestört wurde. Ein Kirchenbau hatte in den 1970er Jahren natürlich auch eine politische Dimension: es musste die Bewilligung des Staatlichen Amtes für Kirchenangelegenheiten eingeholt werden. Nur an solch einem Ort durfte eine Kirche gebaut werden, wo schon vorher ein sakrales Gebäude gestanden hatte, der Baugrund der neuen durfte denjenigen der alten Kirche nicht überschreiten. (Zuletzt hatte man in der Hauptstadt 1948 eine Kirche gebaut, in der Tövis utca im II. Bezirk. Das Gebäude der Gemeinde des heiligen Johannes von Kapistran hatte Antal Say-Haläsz entworfen.) 1975, in dieser gegensätzlichen Epoche der ungarischen Kirche, begann das Werk verwirklicht zu werden. 1971 hatte Kardinal Mindszenty das Land verlassen. Dieser war nach seiner Verhaftung 1948 während der 1956er Revolution kurze 69

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