Radek Tünde - Szilágyi-Kósa Anikó (szerk.): Wandel durch Migration - A Veszprém Megyei Levéltár kiadványai 39. (Veszprém, 2016)

4. Folgen von Migrationsprozessen auf die Literatur - Kerekes Gábor: Die moderne ungarndeutsche Literatur – gefangen zwischen Authentizität und Fiktionalität sowie ohne Aussicht auf internationalen Erfolg?

244 Kerekes, Gábor: Die moderne ungarndeutsche Literatur daran, was geschah, als vor einigen Jahren die Zuverlässigkeit der Bundesbahn, was die Ankunftszeiten anging, abnahm, oder daran, wie deutsche Verbraucher auf minderwertige Produkte und Diensdeistungen reagieren —, sondern weil das zu Demokratie und Toleranz erzogene deutsche Lesepublikum in seiner Befürchtung, politisch unkorrekt zu sein, auch dort Gefahr wittert und sich vor Texten verschließt, wo und in welchen eine solche gar nicht vorhanden ist. Mit anderen Worten: Ein Missverständnis kann durch die allzu prononcierte Her­vorhebung der „deutschen Tugenden“ in einem ungamdeutschen Roman in den Köpfen der deutschen Leser entstehen, wenn sie diese Hervorhebung auf die Weise auffassen, dass es in dem Werk um die Verkündung irgendeiner deut­schen Überlegenheit im Kontrast zu den anderen in der Region heimischen Volksgruppen geht. Von Ungarn aus gesehen mag diese Vorsicht übertrieben, nur schwer verständlich und bedauerlich erscheinen, doch kann man sie — sofern man Zugang zu einer großen Leserschaft in Deutschland finden möchte - nicht ignorieren. Natürlich sind nicht die Tugenden an sich schuld (zu denen vermutlich die Kinder in beinahe jedem Land der Erde von ihren Eltern erzogen werden, und nicht nur in Deutschland), sondern die Art und Weise, wie sie in der deutschen Politik, der Agitation und Propaganda schon zu Kaisers und kolonialen Zeiten sowie dann natürlich zwischen 1933-45 präsentiert, gebraucht und missbraucht wurden, wodurch diese Tugenden in den Augen sehr vieler Deutscher mit dem wilhelminischen und dem braunen Mief behaftet sind. Man kann natürlich als Gegenargument vollkommen berechtigt einwenden, dass sich beinahe gleich lautende Texte etwa sowohl aus der britischen als auch aus der französischen Geschichte der vergangenen 150 Jahre anführen ließen, doch ändert dies nichts an der gegenwärtigen Situation, an dem, was allgemeiner Konsens unter den Lesenden in Deutschland ist. Dementsprechend hätte primär ein ungamdeutsches Werk Aussicht auf Erfolg auf dem deutschen Buchmarkt, in dem das Ungamdeutschtum als eine unter mehreren Volksgruppen gezeigt würde. Dabei sollte die Buntheit, das Zusammenleben von Ungamdeutschen, Ungam, Zigeunern, Juden und anderen Nationalitäten im Alltag gezeigt werden — was nicht heißt, dass Themen wie die Vertreibung von 1947—49 ein Tabu sein müssten. Zugleich böte im Idealfall das Erscheinen auf dem bundesdeutschen Buchmarkt den ungamdeutschen Autoren auch die Freiheit, Themen zu gestal­ten, die sie in ihren bisherigen, nur für die ungamdeutschen Leser verfassten Werken, nicht anzuschneiden gewagt hatten.

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