Radek Tünde - Szilágyi-Kósa Anikó (szerk.): Wandel durch Migration - A Veszprém Megyei Levéltár kiadványai 39. (Veszprém, 2016)
1. Landschafts- und Gemeinschaftswandel als Folge von Migration - Krauss, Karl Peter: Migration und Modernisierung. Sozioökonomische Prozesse und Kulturlandschaftswandel in Transdanubien im 18. Jahrhundert
Krauss, Karl-Peter Migration und Modernisierung 9 Jedenfalls haben diese „national“ konnotierten Deutungsschemata den Blick darauf verstellt, dass bei der staatlich geförderten Migration von Siedlern aus Deutschland wirtschaftspolitische und populationistische Motive im Sinne des Interesses des Gesamtstaates im Vordergrund standen.7 Dass es um eine Optimierung wirtschaftlicher Wertschöpfung ging, ergibt sich schon aus der zunächst im Vordergrund stehenden gezielten Ansiedlung deutscher Migranten durch ungarische Magnaten. Diese Erkenntnisse spiegeln sich in der jüngsten Forschungsliteratur (Krauss 2003; Kaposi 2010; Fata 2014). Zwar kamen die deutschen Ansiedler in ihrer großen Masse aus den ländlichen und städtischen Unterschichten (Hacker 1969a, 1969b, 1970, 1975, 1977a, 1977b, 1980, 1983, 1987). Doch sie waren in der Regel keineswegs mittellos, zumal in der Frühen Neuzeit Armut weitgehend wanderungsunfähig machte, sieht man einmal vom Vagantentum ab (Kiss 1979). Allerdings trifft diese Aussage auf die stark subventionierte josephinische Ansiedlung nur beschränkt zu. Zweifellos ergaben sich in der Summe durch das mitgebrachte Geld der Siedler und später erlangte Erbschaften erhebliche Impulse. Das zeigt sich einerseits im Ansteigen der Preise für Konsumgüter. Zum anderen stiegen die Preise für Immobilien selbst in einem durch die Urbarialverfassung nicht frei verfügbaren, stark regulierten Grundstücksmarkt. Dies führte besonders im südungarischen Raum zur Verdrängung serbischer, aber auch ungarischer Untertanen durch deutsche Siedler (Krauss 2009). Modernisierungsprozesse erfolgten auf mehreren Ebenen. Hierzu gehören die Zentralisierungsbestrebungen des frühmodemen Staates, die wachsende Bürokratisierung und Verrechtlichung. Aber auch die Rationalisierung der Landwirtschaft im Zeichen der Physiokratie und zur Erhöhung der Steuerkraft Neben diese staatlich generierten Modemisierungsmaßnahmen traten Modemi- sierungsbestrebungen ungarischer Gmndherren. Die Agrarkonjunktur in der zweiten Hälfte des 18. Jh.s schuf enorme Gewinnmöglichkeiten. So schrieb Gräfin Eleonora von Batthyäny-Strattmann schon 1736 vor Ausbruch des Krieges mit dem Osmanischen Reich: „Weilen noch immer mehr und mehr kay[ser]- liche Trouppen hinab marchiren, so [wird] die Frucht ein beßren Breiß bekommen.“8 1737 fragte die Hofkammer, ob die Gräfin 50.000 oder mehr 7 Eine gewisse Unabhängigkeit vom „Zeitgeist“ zeigt sich in der beachtenswerten Ausarbeitung von Schünemann, der diese Aspekte in den Vordergrund rückte (Schüne- mann 1935). 8 Magyar Nemzeti Levéltár — Magyar Országos Levéltár [Ungarisches Nationalarchiv — Ungarisches Landesarchiv], Budapest (MOL), Batthyány család Levéltára (BCsL)