Gertrude Enderle-Burcel, Dieter Stiefel, Alice Teichova (Hrsg.): Sonderband 9. „Zarte Bande” – Österreich und die europäischen planwirtschaftlichen Länder / „Delicate Relationships” – Austria and Europe’s Planned Economies (2006)
Dieter Stiefel: „Zarte Bande“ Österreich und die planwirtschaftlichen Länder
.7arte Bande“. Österreich und die planwirtsehaftlichen Länder Jährliche Wachstumsrate der Produktivität im Verhältnis zu den USA 1950-1973 1973-1992 Österreich 3,12 1,30 BRD 3,18 1,53 Tschechoslowakei 0,68- 1,06 Ungarn 1,12-0,49 Polen 1,03-0,78 UdSSR 0,64- 1,92 Quelle: Maddison: Monitoring the World Economy, S. 48 Noch schlechter als bei der Entwicklung des BNP je Beschäftigte fielen die Wachstumsraten der „Oststaaten“ beim BNP je Arbeitsstunde aus. Der Aufholprozess zu den USA fiel schon bis in die 1970er Jahre nur mäßig aus und kippte ab dann ins Negative. Die Werte der Sowjetunion aus dem Jahr 1992 wurden in Österreich bereits Ende der 1950er Jahre und der übrigen „Ostländer“ spätestens in den 1960er Jahren erreicht. 6. Arbeitsmarkt Auch der Arbeitsmarkt war durch den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen politisch beeinflusst. Das zeigte sich schon an der Veränderung der Einwohnerzahl. Österreich und Deutschland haben den Zweiten Weltkrieg trotz erheblicher militärischer und ziviler Verluste, Vemichtungspolitik und erzwungene Emigration mit einem Bevölkerungszuwachs überstanden. Das hing vor allem mit der Flucht der Deutschen aus den osteuropäischen Gebieten zusammen. Die USA als vom Krieg nicht direkt betroffenes hauptsächliches Immigrationsland hat bereits in dieser Zeit bevölkerungsmäßig profitiert. Alle übrigen hier betrachteten Länder wiesen zwischen 1939 und 1945 beachtliche Bevölkerungsverluste auf, die vor allem bei Polen, der UdSSR und Jugoslawien dramatisch waren. In die ersten Nachkriegsjahre fallt die Vertreibung der deutschsprachigen Minderheit („Sudetendeutsche“), was zu einem Rückgang der Bevölkerung in der Tschechoslowakei von 12,5 Prozent führte, dem ein entsprechender Bevölkerungsgewinn in der BRD und zu einem geringeren Ausmaß in Österreich gegenüber stand. Zwischen 1950 und 1988 fällt die Entwicklung in der DDR auf, die seit Ende der 1940er Jahre durch „Republikflucht“ mit einem ständigen Bevölkerungsrückgang konfrontiert war. Profitiert hatte davon die BRD. Für Österreich, die BRD und die USA gilt daher, dass ihre Wirtschaft ganz erheblich durch Immigration, letztlich auf Kosten der Emigrationsländer, profitieren konnte. Für die DDR hingegen war der chronische Bevölkerungsverlust eines ihrer deutlichsten Krisenzeichen. Die übrigen „Ostländer“ wuchsen bis 1988 aus eigener Kraft, wobei vor allem bei den stärker agrarisch ausgerichteten der Bevölkerungszuwachs bei über 40 Prozent lag. 29