Günter Dinhobl (Hrsg.): Sonderband 7. Eisenbahn/Kultur – Railway/Culture (2004)

I. Für eine Kulturgeschichte der Eisenbahn / Towards a cultural history of railways - Günter Dinhobl: Eisenbahn / Kultur - Für eine Kulturwissenschaft der Technik

Günter Dinhobl Außertechnische Einflüsse werden nahezu nicht reflektiert, am seltensten gesellschaftliche bzw. kulturelle.49 * Auch steht die Eisenbahn-Geschichtsschreibung in der Tradition der nationalstaatlichen Geschichtsschreibung, trägt oftmals zur Bildung und Rezeption von .neuen Mythographien1 bei und ist darüber hinaus mit Vorliebe nostalgisch verklärt.5,1 Einzelne, in diesem Bereich vor Jahrzehnten entstandene und bis heute als beispielhaft geltende Publikationen wie von Wolfgang Schivelbusch, John Stilgoe oder Michael Robbins setzen die Eisenbahn auf erfolgreiche Weise in einen weiten Untersuchungsrahmen.51 Abgesehen von diesen wenigen Publikationen “it is still true that [...] the subject [of railway history] is too often examined in a way that disconnects it from a wider cultural milieu”.52 * Hingegen wurde im 19. Jahrhundert Eisenbahn und Kultur vielfach gemeinsam gedacht und thematisiert." Zunächst waren es technisch Gebildete, wie beispielsweise Ingenieure, welche die kulturelle Dimension der Eisenbahn besonders hervorhoben und damit im Gegenzug ihre soziale Anerkennung einforderten. Aber auch in der Kulturgeschichte war sie ab der Mitte des 19. Jahrhundert ein Thema - wie etwa in der Geschichte der Cultur in Österreich von Rochus Perkmann oder der Kulturgeschichte der Neuzeit von Egon Friedell.54 Auf diese Tradition in kritischer Weise aufbauend könnte das zeitgenössische kulturwissenschaftliche Methodenrepertoire überaus lohnend in die Eisenbahn-Geschichtsschreibung eingebunden werden. Die nahezu 200- jährige Geschichte dieser Technologie bietet sich für Untersuchungen zu Eisenbahn/Kultur - oder in Anlehnung an Zimmerli, zu ,Eisenbahn als Kultur‘ ­49 D i v a 11, Colin: The History and Practice of Britain’s Railways: A New Research Agenda York 1996. URL.: http://www.york.ac.uk/instyirshome/papers/tech.htm ; 9.4.2002. 511 Gugerli, David: Intemationalität der Eisenbahn Zur analytischen Bedeutung einer handlungsleitenden Fiktion, ln: Die Intemationalität der Eisenbahn, hrsg. von Burri, Monika - Elsässer, Kilian T. - Gugerli, David. Zürich 2003, S. 13-20, hier S. 13; Staudacher, Peter: Mythifizierende Verzerrung österreichischer Eisenbahngeschichte am Beispiel Karl Gölsdorf ln: Neue Mythographien. Gegenwartsmythen in der interdisziplinären Debatte, hrsg. von Greiner-Kemptner, Ulrike - Riesinger, Robert F. Wien-Köln-Weimar 1995, S. 297-318, hierS. 297 ff. 51 Robbins, Michael: The Railway Age. Manchester 1998 (Orig. 1962); Schivelbusch, Wolfgang: Die Geschichte der Eisenbahnreise. Zur Industrialisierung von Raum und Zeit im 19. Jahrhundert Frankfurt/M. 1995 (Orig. 1977); Stilgoe, John R: Metropolitan Corridor. Railroads and the Ameri­can Scene. New Haven-London 1983. 52 F re e m a n : The railway as cultural methaphor, S. 160. " E be n d a , S. 165. 54 Perkmann, Rochus: Geschichte der Cultur in Österreich. Wien 1864, S. 38; Friedell, Egon: Kulturgeschichte der Neuzeit. München 1974 (Orig. 1931), S. I 027 ff.; vgl. auch Dinhobl - Lanzinger: „O C ullur! O Eisenbahn!“, S 243 40

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