Günter Dinhobl (Hrsg.): Sonderband 7. Eisenbahn/Kultur – Railway/Culture (2004)

I. Für eine Kulturgeschichte der Eisenbahn / Towards a cultural history of railways - Günter Dinhobl: Eisenbahn / Kultur - Für eine Kulturwissenschaft der Technik

Eisenbahn/Kultur - Für eine Kulturwissenschaft der Technik ,instrumentalgeschichtliche' Zugang erfordert in der Regel technisch­naturwissenschaftliche (Grund-)Kenntnisse und wurde nicht zufällig seit dem 19. Jahrhundert gerne von der damals noch neuen Berufsgruppe der Ingenieure betrieben. Dabei werden zumeist technikimmanente Zusammenhänge als ,rational' ablaufend dargestellt und zu einem großen Anteil bis heute als eine heroisierte und mythologisierte Geschichte großer Männer und erfolgreicher Artefakte geschrieben. Das sozio-technische Beziehungsgefüge wird meist vernachlässigt,25 weswegen dieser Ansatz dem naturwissenschaftlichen Ansatz von Munakata stärker verbunden ist als dem humanwissenschaftlichen. Hingegen adressieren humanwissenschaftlich orientierte Arbeiten im Bereich der Technikgeschichte seit den 1960er Jahren neben Fragen zur technischen Entwicklung der Artefakte zunehmend auch wirtschaftliche und politische Fragestellungen, aber auch vereinzelt die gesellschaftlichen /Iwswirkungen des Einsatzes von Technik.26 Mit diesen Arbeiten erfolgte weitestgehend die Anerkennung der gesellschaftlichen Prägung von technischen Systemen. Hingegen werden die kulturellen Grundlagen, auf denen jede Technologie ebenfalls aufbaut, in den meisten Fällen noch unzureichend berücksichtigt.27 Trotz - oder gerade wegen? - des hohen Reflexionsgrades der feministischen Perspektiven zur Technikforschung werden derartige Ansätze oftmals vernachlässigt. Dies führte zur pointierten Anmerkung der Wissenschafts- und Technikforscherin Barbara Orland, dass man in der Praxis der Technikgeschichte bis heute „Fragen nach der Männerwelt .Technik’ [...] vergeblich“2* sucht. In der umfangreichen, sozialwissenschaftlich basierten Untersuchung zum Verhältnis Technik und Geschlecht zeigt Judy Wajcman auf, dass Technik eine Kultur darstellt, „die Beziehungen zwischen Männern ausdrückt und verfestigt“.29 Darauf aufbauend schlägt Orland für die (deutschsprachige) Technikgeschichte vor, Geschlecht allgemein als „analytische 25 Troitzsch - Wohlauf: Technik-Geschichte, S. 15; vgl. auch Carter: Railways and culture, S. 3. 26 Für die Eisenbahn: Simmons, Jack: The Victorian Railway. London 1991, S. 10; allgemein vgl.: Niel, Alfred: Eisenbahn und Gesellschaft. Wien (unveröffentl. Dissertation) 1952; Robbins, Mi­chael: The Railway Age. Manchester 1998 (Orig. 1962). 11 Troitzsch - W o h 1 a u f : Technik-Geschichte, S. 13, 29, 33; für die Eisenbahn vgl. F re e m a n , Michael: The railway as cultural methaphor. ,What kind of railway history?' revisited. In: Journal of Transport History 20, 2 (1999), S. 160-167. hier S. 162,165. 2* Orland, Barbara: Geschlecht als Kategorie in der Technikhistoriographie. ln: Geschlechterverhältnisse in Naturwissenschaft, Medizin und Technik, hrsg. von Meinel, Christoph Renneberg, Monika. Stuttgart 1996, S. 30-42; hier S. 40. 29 W a j c m a n , Judy: Technik und Geschlecht. Frankfurt/M., New York 1994, S. 166. 35

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