Georg Lehner, Monika Lehner (Hrsg.): Sonderband 6. Österreich-Ungarn und der „Boxeraufstand” in China (2002)

Österreich-Ungarn und der Beginn des Internationalen Engagements zur Unterdrückung der Unruhen in China

Die Marinesektion wollte auf die von Fürst Schönburg angebotene „Österreichische Rote Kreuz-Expedition“ jedoch nicht eingehen. Nach Ansicht der Operationskanzlei würden die eingeschifften Marineärzte „zur Versehung des Dienstes an Bord und bei den relativ kleinen Detachements am Lande“ vollkommen genügen. In Wien waren mittlerweile auch Nachrichten eingelaufen, dass mehrere Kranke zur weiteren Behandlung in japanische Spitäler abtransportiert worden wären. Zudem standen zu diesem Zeitpunkt (Ende August) schon mehrere Spitalsschiffe in den ostasiatischen Gewässern zur Verfügung. Reichs- Kriegsminister Krieghammer vermerkte auf dem Einsichtsakt: Wenn die Marine Ärzte braucht, so müssen ihr dieselben zur Disposition gestellt werden, dazu braucht man nicht die Unterstützung des Rothen Kreuzes und nicht dessen Anregung.504 S.M.S. „Taurus“, das österreichisch-ungarische Stationsschiff vor Konstantinopel, berichtete am 13. August über die Charterung zweier Dampfer des Österreichischen Lloyd durch die russische Regierung, die auf diese Weise ihre Truppentransporte nach Ostasien beschleunigen wollte. Wie KK Mendelein berichtete, passierten die gewöhnlich auf der Linie Triest-Konstantinopel und zwischen den Schwarzmeerhäfen verkehrenden Dampfer „Maria Teresia“ und „Elektra“ am 9. und 10. August Yeniköy, um die in Odessa bereitstehenden Truppen einzuschiffen. Die Lloydagentie in Konstantinopel hatte keine näheren Informationen, welche Truppengattungen auf diesen beiden Dampfern eingeschifft werden sollten. Die Kapitäne der beiden Dampfer hatten von etwa 1 000 Mann pro Schiff gesprochen und zudem mitgeteilt, dass der „Österreichische Lloyd“ auf beiden Dampfern keine besonderen Adaptierungen für diese Truppentransporte vorgenommen habe. Die Miete der beiden Dampfer kostete die russische Regierung etwa 36 000 Pfund, umgerechnet 875 030 Kronen in Gold. Es war geplant, dass die beiden Dampfer zunächst Singapore anlaufen und von dort durch russische Kriegsschiffe an ihren Bestimmungsort eskortiert werden sollten.505 Mitte August hieß es, dass bereits 10 000 Mann russischer Truppen den Bosporus passiert hätten. Der k. u. k. Botschafter in Konstantinopel, Calice, telegraphierte, dass der russische Militârattaché in Konstantinopel davon gesprochen habe, Russland würde für China 500 000 Mann mobilisieren. Calice hielt diese Nachricht für „stark übertrieben“, glaubte jedoch, sie „mit Rücksicht auf die Quelle“ berichten zu sollen.506 Am 29. August passierte der Lloyddampfer „Maria Teresia“ den Bosporus. An Bord waren 49 Offiziere und 505 Schützen - dazu kam Munition und Kriegsgerät. Am 6. September folgte „Electra“, die 36 Ärzte, 5 Krankenschwestern, 510 Mann Österreich-Ungarn und der Beginn des internationalen Engagements ... KA, MS/PK 1900-XV-2/8, Nr. 2 306, Antwort des RKM an das Rote Kreuz vom 6.9.1900. KA, MS/OK 1900-XI-2/4, Nr. 1 762, S.M.S. „Taurus“ an RKM/MS, Res. No. 102, Yeniköy, 13.8.1900. HHStA, P.A. XXIX/19, Calice an MdÄ, Telegramm No. 96 (No. 2 229, Chiffre), Constantinopel, 17.8.1900. 157

Next

/
Oldalképek
Tartalom