Georg Lehner, Monika Lehner (Hrsg.): Sonderband 6. Österreich-Ungarn und der „Boxeraufstand” in China (2002)

Die Unruhen des Sommers 1900 im Spiegel Österreichischer Berichte aus China

Veränderungen im Zongli Yamen176 bekannt gegeben wurden. Rosthom sprach in seinem Bericht von den „notorischen Sympathien“, welche Zaiyi Prinz Duan „für die Bestrebungen der Boxer“ zeigte und erblickte in diesem Revirement einen neuen Beweis für den Sieg der reaktionären Partei, deren „intransingente Politik nunmehr auch im Auswärtigen Amte inaugurirt werden sollte.“177 Angesichts der zunehmenden Bedrohung hatten sich die Kommandanten der von den Mächten nach Beijing entsandten Detachements über einen Verteidigungsplan geeinigt. Da sich die k. u. k. Gesandtschaft an der Nordostecke des Gesandtschaftsviertels befand178, forderte FK Thomann Unterstützung von den weniger exponiert gelegenen Gesandtschaften. Am 13. Juni erhielt man um 18.15 Uhr in der k. u. k. Gesandtschaft Informationen über die Zuspitzung der Lage in der Chinesenstadt. Im Laufe des Nachmittags waren zudem zahlreiche Anhänger der Yihetuan durch das südlich der Gesandtschaften gelegene Hadamen in die Tatarenstadt vorgedrungen. Der ehemalige Privatsekretär Li Hongzhang’s, William N. Pethick179, rechnete in dieser Phase mit einem Angriff der Yihetuan auf die Gesandtschaften. In der Legation Street kam es unterdessen bereits zu Ansammlungen aufgebrachter Chinesen.180 Am Abend des 13. Juni 1900 meldeten die auf dem Terrain der k. u. k. Gesandtschaft verbliebenen chinesischen Christen „in großer Bestürzung“, dass über tausend Anhänger der Yihetuan durch das Chongwenmen (Hadamen) in die Chinesenstadt eingedrungen waren und in den Straßen zwischen You’anmen, Chongwenmen und Qianmen ihr gegen christliche Missionsgesellschaften und ausländische Unternehmungen gerichtetes zerstörerisches Werk begonnen hatten ­Die Unruhen des Sommers 1900 im Spiegel österreichischer Berichte aus China 176 Zu den um den 10.6.1900 angeordneten personellen Veränderungen im Zongli Yamen vgl. Shan Shiyuan, Zongli geguo tongshang shiwu yamen dachen nianbiao. [Jahresübersichten der leitenden Minister im Zongli Yamen] ln: Gugong Bowuyuan Yuankan 1990/2, S. 3-10, hier S. 8; sowie Li Dezheng, Qing zhengfu zai Yihetuan shiqi de renshi biandong [Personelle Veränderungen in der Qing-Regierung während der Yihetuan-Periode], In: LSYJ 1991/2, S. 134. 177 HHStA, P.A. XXIX/14, Rosthom an Gotuchowski, Bericht No. 1 (II. Serie), Peking, 20.8.1900. Zur Entwicklung des Verhältnisses des Prinzen Duan zur „Kaiserin-Witwe“ Cixi vgl. Guo Weidong, Zaiyi yu Cixi de guanxi kao [Untersuchung der Beziehungen Zaiyi’s zu Cixi], ln: Tianjin Shida Xuebao 1989/6, S. 50-53. - Biographisches zu Zaiyi Prinz Duan in MZDC, S. 583. 178 Zur Lage der k. u. k. Gesandtschaft die Pläne bei Lehner, Palais (1998), S. 129 und Abb. 1. Vgl. ferner L[ewis] C[harles] Arlington, W[illiam] Lewisohn, ln Search of Old Peking, Peking 1935, ND Hong Kong 1987, S. 12 sowie zwischen den S. 4 und 5 Plan 3(b): „Legation Quarter in 1900.“ 179 Winterhaider schrieb sowohl in seinem im Oktober 1900 erstatteten Bericht als auch in seinem 1902 erschienenen Werk „Pathig“ statt Pethick. Zur Rolle Pethicks als Berater Li Hongzhang’s vgl. auch Vera Schmidt, Aufgabe und Einfluß der europäischen Berater in China. Detring (1842-1913) im Dienste Li Hung-changs, Veröffentlichungen des Ostasien-Instituts der Ruhr-Universität Bochum 34, Wiesbaden 1984, S. 3. 180 KA, MS/OK 1900-X-14/5, Nr. 2 803, LSL Theodor Ritter von Winterhaider, Taku, 11.10.1900. Beilage zu S.M.S. „Zenta“ an ECiO, Res. No. 323, Taku-Rhede, 12.10.1900. - Vgl. dazu auch Winterhaider (1902), S. 197. 73

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