Georg Lehner, Monika Lehner (Hrsg.): Sonderband 6. Österreich-Ungarn und der „Boxeraufstand” in China (2002)
Österreich-Ungarn und der Beginn des Internationalen Engagements zur Unterdrückung der Unruhen in China
dass von allen Meldungen lediglich die Designation eines Thronfolgers der Wahrheit entsprochen habe. Zudem wurde gemeldet, dass die Unruhen in Shandong weiter um sich gegriffen hatten. Die Chronik in der April-Nummer der „Oesterreichischen Monatsschrift für den Orient“ berichtete von Gefechten zwischen Qing-Truppen und Yihetuan und von Befehlen der Kaiserin-Witwe zur Inhaftierung reformfreundlicher Kräfte in den verschiedenen Provinzen. Im Mai wurde berichtet, dass die Diplomaten beim Zongli Yamen die Unterdrückung der Unruhen urgiert hatten. Über den Charakter der Yihetuan-Bewegung waren sich die Redakteure der „Oesterreichischen Monatsschrift für den Orient“ in der Juni- Nummer durchaus im Klaren: Die fremdenfeindliche Bewegung der Boxer nimmt in Folge der Gleichgiltigkeit oder des stillschweigenden Einverständnisses der jetzigen fremdenfeindlichen Regierung in Peking oder gar der geheimen Unterstützung von Seite der Kaiserin-Witwe beunruhigende Gestalt und Ausdehnung an. Es ist die ernsteste Fremden- und Christen Verfolgung, die in China seit vielen Jahren vorgekommen ist. Viele hohe Mandschus, darunter Mitglieder des kaiserlichen Hauses schliessen sich der Bewegung an. Neben der von den Yihetuan Ende Mai verursachten Zerstörung von Teilstücken der Beijing-Hankou-Eisenbahn fanden auch die Verschärfung in der Lage in Beijing und der beginnende internationale Truppenaufmarsch Eingang in die Juni-Chronik. Über die Situation in und um Beijing hieß es: Die Rebellion um Peking nimmt einen gefährlichen Umfang an, da die Boxer überzeugt sind, dass sie von der Kaiserin und den Prinzen Kangwi [Gangyi] und Tschingtuan [Prinz Duan] sowie von der ganzen Mandschu-Armee unterstützt werden. In Peking herrscht in Folge der Ausbreitung der Erhebung bedenkliche Erregung.732 Die in der Juli-Ausgabe veröffentlichte Chronik führte den Lesern die Eskalation deutlich vor Augen: Die Lage in Peking verschlimmert sich, da die Kaiserin-Witwe der Regierung befohlen haben soll, lieber Europa zu trotzen als gegen die Boxerbewegung vorzugehen. [...] Die Aufständischen zerstören alle Gesandtschaften, und der deutsche Gesandte wird ermordet. Auch die Verschärfung der Lage in Tianjin und das Scheitern der Expedition Seymour wurde eindringlich geschildert: Die Chinesen beschiessen die Fremdenniederlassungen in Tientsin. Reguläre chinesische Truppen hindern den Vormarsch der europäischen Truppen auf Peking, und die Entsatzexpedition für Peking unter Admiral Seymour wird von feindlichen Truppen umzingelt. Volk und Militär in Peking sollen aus Wuth über die Zerstörung der Takuforts alle Ausländer mit ihren chinesischen Angestellten niedergemetzelt haben.733 Im August berichtete die Chronik über die weitere Entwicklung der Unruhen (insbesondere über die Verfolgung der christlichen Missionare) und dass Prinz Duan „die höchste Gewalt“ an sich gerissen habe, doch dass die Generalgouvemeure der am Changjiang gelegenen Provinzen nicht bereit wären, seinen Befehlen zu gehorchen. Ferner wurde gemeldet, dass Yikuang Prinz Qing Österreich-Ungarn und der Beginn des internationalen Engagements ... ÖMO 26 (1900), S. 10 f„ S. 23, S. 35, S. 47, S. 59 und S. 71. ÖMO 26 (1900), S. 82 f. (Zitate S. 83). 221