Sonderband 3. „wir aber aus unsern vorhero sehr erschöpfften camergeföllen nicht hernemben khönnen…” – Beiträge zur österreichischen Wirtschafts- und Finanzgeschichte vom 17. bis zum 20. Jahrhundert (1997)
† Peter Gasser: Karl VI., Triest und die Venezianer
Karl VL, Triest und die Venezianer des Memoriale übermitteln, das der Franzose dem Monarchen unterbreitet hatte. Der Botschafter, über seine erfolgreiche Tätigkeit sichtlich befriedigt, bat die Herren am Rialto um höchste Diskretion, da er sonst nicht für die Sicherheit seiner bzw. seines Informanten garantieren könne28. Für den Preis von 140 000 bis 150 000 Gulden pro Fahrzeug versprach St. Hilaire ein Geschwader von 20 mit 40 bzw. 80 Kanonen bestückten Linienschiffen (vascelli) und Galeeren innerhalb eines Jahres einsatzbereit zu schaffen. 848 Geschütze und Verpflegung für die sechsmonatige Fahrt von Holland bzw. Danzig nach Neapel oder dem Litorale austriaco wären in der obgenannten Geldsumme inbegriffen. Ein gewinnbringendes Geschäft würde es für den Kaiser sein, da die niederländischen Kaufleute seine, des Monarchen, Kriegsschiffe mit für Lissabon, Genua und Livorno bestimmten Waren beladen könnten. Wie die Dinge gegenwärtig stünden, würde es noch mehr als zwei Jahre dauern, bis an den Bau eines Großkampfschiffes in Neapel, Triest oder gar Fiume gedacht werden könne. Von den Intrigen der Venezianer, Genuesen und der Krone Frankreichs ganz zu schweigen, die nichts unversucht lassen würden, um das Entstehen einer Seemacht der Casa d’Austria zu verhindern29. Im Besitz einer solchen Flotte ergäbe sich für den Monarchen die Notwendigkeit in seinen Häfen Schulen zwecks Ausbildung der Zöglinge in der Schiffsbaukunst, in der Geographie und der Nautik zu errichten. Dem Beispiel Livornos, Genuas sowie Venedigs folgend, sollte der Kaiser Freihandelszonen einrichten. Der daraus sich ergebende Gewinn wäre dann so groß, daß Bau und Instandhaltung von Kriegs- und Handelsschiffen in beliebiger Anzahl für alle Zukunft ein leichtes sein würde. So weit so gut. Am Ende seines Memorandums machte Baron de St. Hilaire einen nicht ganz emstzunehmenden Vorschlag: Sollte Karl VI. bei den künftigen Friedensverhandlungen zur Abtretung Spaniens und dessen Besitzungen auf dem südamerikanischen Kontinent gezwungen werden, so möge er auf den Besitz von Cuba, San Domingo und Porto Rico bestehen. Diese Inseln brauchte der Kaiser zum Ausbau seiner Flotte. Bodenschätze an Gold, Silber und Kupfer wären dort im Überfluß vorhanden. St. Hilaire, wie er betonte, kenne die Karibik von seinen langjährigen Fahrten als Schiffskapitän bestens. Diese Inseln könnten jährlich Gewinne von 12 bis 15 Millionen Gulden ausschütten und der Herrscher könne dort treu ergebene Spanier und Italiener ansiedeln sowie auch Strafgefangene in den dortigen Bergwerken arbeiten lassen30. 28 HHStA Wien, StA Venedig, Bd. 200, pag. 326-327, Disp. 173, Wien 3. Dezember 1712 „... passera à dritura nel regno di Napoli ... Non posso meglio assicurare L’Eccellenze Vostre della mia zelante attentione quanto il soggitarle Copia dello stesso progetto ch’ha datto ali'Imperatore ... Supplico humilmente Vostre Eccellenze di custodirlo col più rigoroso silentio per non perder la confidenza, ehe mi sono procurato, e non esponer chi me l'ha esibita à quei pericolo à quali potrebbe facilmente soggiacere...“. 29 Ebenda, pag. 332-335. Ebenda, pag. 339-340 „Le Isole sono tanto più necessarie à Sua Maestà que utili per il stabilimento della Marina, e per render più florito il commercio ... e di più renderà dodici à quindici Millioni di fiorini per anno à Sua Maestà, oltreque pottervi impiegar in queste Isole la quantità di suoi buoni e fedeli Spa- gnoli, ed Italiani ... oltre questo si potrano mandar li Malfattori, per farli travagliar alle Mine ...“. 41