Sonderband 3. „wir aber aus unsern vorhero sehr erschöpfften camergeföllen nicht hernemben khönnen…” – Beiträge zur österreichischen Wirtschafts- und Finanzgeschichte vom 17. bis zum 20. Jahrhundert (1997)
Ronald E. Coons - Carey Goodman: An Audacious Proposal. A Memorandum Attributed to Finance Minister Karl Ludwig Freiherr von Bruck
An Audacious Proposal: A Memorandum Attributed to Karl Ludwig von Bruck Stückwerk ist, meinem Gefühle nach, die Monarchie, nicht mehr zu retten. - Die Dinge sind hiezu bereits zu weit. - Eine wesentliche Änderung der gegenwärtig den einzelnen Zweigen der Staatsverwaltung zu Grunde liegenden Prinzipien und Ansichten, seyen dieselben aus der Zeit vor 1848 überkommen, oder seyen sie späteren Ursprunges, wird eintreten müßen, und es würde sich darum handeln mit gleicher Unparteilichkeit, wo in den Gewohnheiten, Gefühlen und Erinnerungen der Bevölkerungen, Stützpunkte gefunden zu werden vermögen, zu früher Bestandenem zurückzukehren, oder da wo eine solche Hilfe nicht zu Gebote steht, und wo veränderte Sachlagen Neues fordern, diesem Bedürfniße in anderer Weise zu entsprechen. Ich gewahre in der gegenwärtigen Verfaßung der Monarchie, nur zwei legislative Verfügungen, welche ich als zu keiner Änderung geeignet, anzusehen vermag: die Grundentlastung welche, obgleich bedauerlich in manchen Modalitäten ihrer Abfaßung, nichts destoweniger auf einem wirklichem [sic!] Bedürfniße beruht, und das erstandene Gut des gesammten Landvolkes geworden ist, - und die von S. M. dem Kaiser zum Schutze der katholischen Kirche, erlassenen Beschlüße, weil sie an sich weise und heilsam sind. - Diese zwei Punkte ausgenommen, müßten alle stattgefundenen Einrichtungen und Verfügungen, einer Revision unterzogen werden dürfen. - Eine so gestaltete Umänderung des Bestandes der Monarchie, kann daher nur mittels sehr ausgedehnter Ermächtigungen, ins Auge gefaßt werden. Ich habe gesagt, die der Monarchie zu gebende neue Einrichtung, müße auf eine kräftige Unterdrückung aller demokratischen und modem-representativen Tendenzen, und auf stete Kräftigung der Anhänglichkeit der Provinzen an das Kaiserhaus, berechnet seyn. - Die letztere Rücksicht ist eben so richtig als dringlich, denn die Ergebniße welche in dieser Beziehung aus der bisher befolgten Regierungsweise, hervorgegangen sind, sind nicht beruhigend. - Ich weiß daß, indem ich hierüber spreche, ich leicht in Widersprach mit amtlichen Berichterstattungen, gerathen kann, bin aber deßen was ich sage, viel zu gewiß, um dieser Rücksicht Gehör geben zu können. Das Kaiserhaus ist in Oesterreich das einzige Gesammtband der Monarchie, und es kann kein Anderes geben. Die Anhänglichkeit an das Kaiserhaus wird stets in Oesterreich das beste Preservativ gegen demokratische und modern representative Tendenzen seyn, und diese Anhänglichkeit ist erschüttert durch das Gefühl der Unsicherheit und des Unbestandes, welches die aufeinander gefolgten und nach einander fehlgeschlagenen, an der Monarchie gemachten Regierungssystems Experimente, der gesunkene Credit der Justizpflege, die Zerrüttung der Finanzen, die prinziplose Anarchie in den Vorgängen der Regierung, und die Leichtfertigkeit mit welcher der Name des Kaisers vorangestellt wird, - an die Stelle des in vergangener Zeit bestandenen Vertrauens, gesetzt haben. Die Gefühle der Anhänglichkeit müßen aufs Neue gekräftigt, das Vertrauen muß aufs Neue erweckt werden, und diese Sorge stellt sich als dringend dar, da der Zustand der Finanzen eine wesentliche Verminderung der Armee, unerläßlich machen wird, während die Regierung sich zugleich genöthigt sehen wird, schwere Opfer von dem Patriotismus und der Treue der Völker zu verlangen. Wenn die Nothwendigkeit das gegenwärtige System aufzugeben, und jene einer von demselben verschiedenen Einrichtung der Monarchie, anerkannt werden sollte, so ist wohl offenbar daß eine bestimmte Formulirung des neuen Systèmes in deßen verschiedenen Richtungen, nicht die Aufgabe eines einzelnen Mannes seyn könnte, sondern nur von den vereinten Bemühungen geeigneter, mit den Verhältnißen und Be- dürfnißen der verschiedenen Theile der Monarchie, bekannten Personen, zu gewärtigen seyn würde. Die Erfahrung und Kenntniß des früher Bestandenen, wäre hiebei eben so unentbehrlich, als eine richtige praktische Auffaßung der gegenwärtigen Lagen. Die Aufgabe ist ihrer Natur nach, auf dem praktischen Felde eine Höchstschwierige, und würde vollends imlösbar werden, falls die nähere Erwägung derselben in den zugezogenen Persönlichkeiten, prinzipiellen Verschiedenheiten oder politischen Rückhalten, zu begegnen hätte. Eine solche Gewähr der Identität der Hauptansichten, müßen die mit der Formulirung des Systèmes zu betrauenden Personen, einander zu bieten vermögen, sonst ist eine Berathung dieser Art nicht in Gang zu bringen möglich: bestünde aber diese 173