Jürgen Pohl: Sonderband 1. „Die Profiantirung der Keyserlichen Armaden ahnbelangendt” – Studien zur Versorgung der kaiserlichen Armee 1634/35 (1989)
A Einleitung
Studien zur Versorgung der Kaiserlichen Armee 1634/55 A EINLEITUNG Die Truppen des Dreißigjährigen Krieges zogen mordend, sengend, schändend und plündernd durch Deutschland und ließen hinter sich eine breite Spur der Verwüstung. Ihren Lebensunterhalt, vor allem ihre Ernährung bezogen sie aus dem, was sie von Bauernhöfen und aus den Städten, die sie eroberten, erbeuteten beziehungsweise von den dort lebenden Menschen erpreßten. Diese Auffassung ist bis heute weit verbreitet. Doch wie sah die Realität aus? Zunächst eine kleine Berechnung: Die Ernährung der „normalen“ Bevölkerung mußte zwischen den Ernten für jede Person für einen Zeitraum von 250 Tagen gesichert werden. Sehr viel umfangreicher sind die Ernten vor den Reformen im Agrarbereich im Zeitalter des Absolutismus durchschnittlich nicht ausgefallen. Es befanden sich also auf jedem Bauernhof und in jeder Ortschaft direkt nach der Ernte ca. 250 Tagesrationen pro Kopf der dort ansässigen Bevölkerung. Das bedeutet, daß auf einem Bauernhof, auf dem 12 Menschen lebten, ca. 3.000 Tagesportionen Getreide zu finden waren, in einer Stadt mit 500 Einwohnern 12.500 Tagesrationen zu erbeuten waren. Die Heeresgröße beträgt zu der Zeit, mit der sich diese Arbeit beschäftigt, ca. 40.000 Mann und 10.000 Pferde. Zu diesen 40.000 Mann tritt noch einmal die gleiche Anzahl im Troß. Täglich mußten also - wenn man bei der obigen These bleibt - 80.000 Tagesrationen erbeutet oder geplündert werden. Auf dem Territorium des Deutschen Reiches, das ca. 568.000 km1 2 umfaßte1, lebten damals ca. 20 Millionen Menschen2, das ergibt eine Bevölkerungsdichte von ca. 35 Einwohnern/km2, eine Dichte, die wir heute in Ländern wie Irak, Jordanien oder Swasiland antreffen3. Es waren also auf jedem Quadratkilometer 8.750 Tagesrationen gespeichert, das heißt, täglich mußten 9 km2 geplündert werden - allerdings nur, wenn man von den günstigsten Verhältnissen ausgeht, nämlich der Zeit direkt nach der Ernte und daß alle Vorräte gefunden werden. Der Durchschnittswert dürfte eher der gewesen sein, daß 100 Portionen pro Einwohner vorhanden waren, von denen vielleicht 2/3 gefunden wurden. Daraus würde sich eine tägliche „Plünderungs- mindestfläche“ von 33 km2 ergeben, was kaum möglich erscheint. Wei1) Diese Größe ergibt sich aus der Addition der Staatsflächen der BRD, der DDR, der CSSR und Österreichs. Diese sowie die nachfolgenden Zahlen nach: Der Fischer Welt- almanach ’87, Frankfurt a. M. 1986. 2) MacEvedy, Colin und Jones, Richard, Atlas of World Population History. Hermondsworth 1978, S. 71. 3) Heute leben auf dem gleichen Territorium ca. 100 Mio Menschen, das ergibt eine Bevölkerungsdichte von 176 Einwohnern/km2. 11