Schiriefer, Andreas: Deutsche, Slowaken und Magyaren im Spiegel deutschsprachiger historischer Zeitungen und Zeitschriften in der Slowakei - Interethnica 9. (Komárno, 2007)

2 Methodische und analítische Grudnlagen

also noch von echter Loyalität gesprochen werden? Ein wesentlicher Faktor ist sicherlich derjenige der zeitlichen Dauer, was bedeutet, dass nur nach einer länger andauernden Verhaltensdisposition von Loyalität gesprochen werden kann. Bei nur kurzer Dauer der entsprechenden Verhaltensdisposition oder bei andauernder Androhung der Aufkündigung von Loyalität wäre dann wohl besser von „Interesse“ zu sprechen. Ein weiteres zu beachtendes Phänomen wäre das­jenige von Doppel- oder Mehrfachloyalitäten. In dieser Untersuchung wird die Auffassung vertreten, dass Mehrfachloyalitäten und damit auch Loyalitäts­hierarchien denkbar und möglich sind. Gerade in Ungarn ist mit solchen Phänomenen sicherlich zu rechnen und dies vor allem für die Zeitspanne bis 1867. Für alle in Ungarn lebenden Völker und Nationen stellte sich die Frage der Loyalität gegenüber der Institution des Königs und/oder des Kaisers, die ja in einer Person vereinigt waren. Davon hing gleichermaßen die Identifikation mit Österreich und/oder mit Ungarn beziehungsweise auch mit weiteren kona­­tionalen Staaten und Bevölkerungen - vor allem bei der deutschen Bevölkerung - zusammen. An dieser Stelle gelangt man mit der Kategorie Loyalität an die Grenze zu derjenigen der Identität. Gegenüber Identität bringt Loyalität eine Beziehungshaftigkeit zum Ausdruck. Verschiedene Loyalitäten - um noch bei der Mehrfachloyalität zu bleiben - können zu einer bestimmten Identität führen. So kann durch eine Analyse der möglicherweise verschiedenen Loyalitäten von Magyaren, Deutschen und Slowaken auf deren nationale Identitäten geschlossen werden. Somit wird ein Entweder-Oder zwischen den historischen Kategorien Loyalität und nationale Identität ausgeschlossen, sie ergänzen sich vielmehr, um zu einem umfassenden Analyseergebnis zu kommen. Aufgrund der definitorischen Unschärfe des Begriffes Loyalität beziehungsweise der vermut­lichen Unmöglichkeit, diesen Begriff schlüssig und erschöpfend zu definieren, wird darauf auch in der Konzeption dieser Arbeit verzichtet. Stattdessen wird versucht werden, anhand der in den Quellen aufgefundenen Aussagen auf spezielle zeitgenössische Loyalitätsvorstellungen zu schließen, sie diskursana­lytisch zu rekonstruieren, um so in einem weiteren Schritt auch Aussagen über die nationalen Identitäten der untersuchten Volksgruppen machen zu können. Um der möglichen Existenz von nationalen Identitäten und deren Beschaffenheit auf die Spur zu kommen erscheint es sinnvoll, Einzelergebnisse der Untersuchung zu kombinieren und daraus die notwendigen Schlüsse zu ziehen. Diese indirekte Vorgehensweise ergibt sich aufgrund des subjektiven Charakters der nationalen Identität. Es handelt sich um ein subjektives Gefühl der Mitglieder einer Gruppe, zum einen um ein Gefühl der Zusammengehörig­keit, zum anderen um das Bewusstsein der Verschiedenheit von anderen Gruppen.12 Um einem solchen Gefühl, einer Anschauung oder einer ge­danklichen Haltung auf die Spur zu kommen, müssen die zuvor angesprochenen 12 Zusammenfassend zum Begriff der nationalen Identität siehe Elisabeth Bakke: Doomed to Failure? The Czechoslovak Nation Projekt and the Slovak Autonomist Reaction 1918-38. Oslo 1999. 19

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