Schiriefer, Andreas: Deutsche, Slowaken und Magyaren im Spiegel deutschsprachiger historischer Zeitungen und Zeitschriften in der Slowakei - Interethnica 9. (Komárno, 2007)

1 Einleitung

der Arbeit erforderlich ist, werden die Modelle im folgenden Kapitel zu den methodischen Grundlagen noch eingehender vorgestellt. Es soll jedoch aus­drücklich darauf hingewiesen werden, dass sich die Arbeit im voraus keiner dieser Theorien verschreibt. Jedoch können sie dazu dienen, die aufgefundenen Materialien und Daten theoretisch zu reflektieren und ihren Stellenwert bezogen auf die Genese von einzelnen Nationen und Nationalitäten zu verdeutlichen. Anzunehmen ist, dass sowohl innerhalb der Gruppe der Ethno-Symbolisten als auch der Modernisten Fragen gestellt werden, die angesichts immer wiederkehrender Themen in den Spalten der Zeitungen richtungsweisend sein können. Fragen etwa zum Verhältnis von Nationalismus und Nation. So behauptet Eric J. Flobsbawm: „Nationalism comes before nations. Nations do not make states and nationalism but the other way round“4. Ähnlich äußert sich auch Gellner zu dieser Frage. Aussagen dieser Art verweisen auf den Unterschied der beiden Begriffe und vor allem die Rolle und Wirkung des Nationalismus. Diese Rolle wurde auch auf den Seiten der Zeitung diskutiert und es wird zu zeigen sein, in welcher Form dies dort geschah und welche Bedeutungen die Begriffe Nation und Nationalismus dort erhielten. Je nachdem, wie diese Begriffe definiert wurden, definierten sich auch die Verhältnisse zwis­chen den verschiedenen betroffenen Volksgruppen. Fordert etwa die Zugehörigkeit zu einer Nation eine einheitliche Sprache oder erscheint eine mehrere Sprachen umfassende Nation möglich, wird dementsprechend eine Vereinheitlichung angestrebt oder herrscht in der Gesellschaft ein erhöhter Pluralismus, eine großzügige Handhabung der Sprachenfrage. Gerade diese Fragen entschieden im Ungarn des 19. Jahrhunderts mit darüber, ob sich die Nationen innerhalb Ungarns integriert fühlten, oder aber bedroht, das heißt den Staat befürworteten oder ihn - ideologisch oder auch mit Waffengewalt - ablehnten und bekämpften. Hinsichtlich vor allem der deutschen und auch slowakischen Bevölkerung könnte eine Unterscheidung von Interesse sein, wie sie bei Smith zu finden ist. Gemeint ist diejenige zwischen einer Nation und einer ethnischen Gruppe, die jener in vielen Fällen voran ging. Was unterschei­det demnach eine ethnische Gruppe von einer Nation? Er erklärt es am Beispiel der alten Ägypter und Griechen.5 Den Unterschied zwischen solchen von ihm genannten ethnischen Staaten und wirklichen Nationen machen hier überre­gionale Wirtschaftsverflechtungen, Handel, gemeinsame Konzeptionen von Rechten und Pflichten für eine Bürgerschaft, zentralisierte Erziehungs- und Bildungssysteme. Gefordert sei demnach Einheitlichkeit nicht nur im kulturellen, sondern gerade auch im politischen und wirtschaftlichen Bereich, weshalb man auch bei den alten Griechen eher von Ethnozentriertheit als von einer gemein­samen Nation sprechen sollte. Dementsprechend versteht Smith unter einer Nation „a named human population sharing an historic territory, common myths 4 Hobsbawm, E.J.: Nations and Nationalism since 1780: Programme, Myth, Reality, Cambridge 1990, S. 10. 5 Smith, A.D.: National Identity, London 1991, S. 45. 13

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