Liszka József (szerk.): Az Etnológiai Központ Évkönyve 2011 - Acta Ethnologica Danubiana 13. (Dunaszerdahely-Komárno, 2011)
Tanulmányok - Michael Prosser-Schell: Néprajzi-kultúrantropológiai megközelítések a "misztériumjátékhoz". Új aspektusok az ünnepkutatás egy klasszikus területén (Összefoglalás)
Schauspiele in den Zusammenhang der organisierten Fortführung und Pflege einer bestimmten Sprache gestellt - die Proben und Aufführungen standen damit nicht nur im Dienst der Verkündigungsintention eines religiösen Festes, sondern auch im Interesse der Kultur - betätigung und Kulturbestätigung einer nationalen Minderheit.30 In bestimmten Kommunen, gerade etwa in der Banatstadt Werschetz, entstanden daraufhin in den deutschsprachigen katholischen Gemeinden Auseinandersetzungen darüber, wer denn nun die bestimmende Kraft über diese Passionsspiele zu sein habe, Sektionen des „Kulturbundes“ oder die „Katholische Christusjugend“. (Prosser-Schell 2011, 177) Gerade aus dem jugoslawischen Banatgebiet wurden sehr viele Zeugnisse von aktiven SpielemAinnen und Mitwirkenden der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufgenommen. Dabei fallt eines auf: Befragung und Notation sind vielfach erst nach dem Zweiten Weltkrieg, nach Flucht und Ausweisung der Deutschen aus Südosteuropa erfolgt. Zumeist geschah dies in süddeutschen Auffanglagern der 1950er Jahre (vor allem in Piding/ Obb.). Diese Quellen im JKI zu den Mysterienspielen liefern eine wichtige methodische Perspektive insofern, da sie zwar genau denselben sachlichen Kontext betreffen, wie unsere eben referierten Angaben - aber sie sind, schon jenseits des unmittelbaren temporären Zusammenhangs und jenseits des Ambientes des Referenzraums, als Erinnerungen an Verlaufsformen aus einer Vergangenheit niedergeschrieben worden. Auf Fragen nach dem Vorkommen und dem Wahmehmen von Schauspielen aus ihrer Herkunftsregion gaben die Probanden neben den Kemdaten des Stattfmdens schlechthin gerade auch Auskünfte über die szenisch-technischen Performanz-Elemente des Affektiven: Bezeichnend erscheint dabei, dass in den protokollierten Angaben aus unserem Bestand mehrmals die affektiven Elemente der Aufführung als solche schildern, also als vor allem emotionsgeladenes Erlebnis. Das Einstellen von Blitzen und Donnergeräuschen mit Lichtund Schallgeräten in der Golgotha-Szene von Passionsspielen wurde als markant und sogar als „schön“ erzählt, das hatten die Befragten als bemerkenswert und als eindrucksvoll im Gedächtnis behalten, ebenso wie die Geißelungsszene, in der gegebenenfalls ein mit roter Farbe simulierter Blutfluss sichtbar gemacht und von Aufschreien des Publikums begleitet worden war.31 Mittelbar ließe sich aus diesen punktuellen Befunden erschließen, dass Gestaltungselemente, die im Grunde den Intentionen der jesuitischen Anthropologie, insbesondere der „emotio“ des Barock entsprechen, wirksam und hervorragend abgerufen werden konnten - zumal diese Erinnerungsmerkmale teilweise allein und als Hauptsache in den Notaten stehen, ohne dass ein Zusammenhang mit dem Textinhalt hergestellt worden wäre. 30 Gleichfalls von der Marktgemeinde Ruma (heute serbische Provinz Vojvodina, südlich von Novi Sad) wird mit Bezug auf das Einfiihrungs- und Aufführungsjahr 1933 mitgeteilt, dass zu Ostern in der Karwoche „Das Volksspiel vom Leiden Christi“ nach dem Vorbild von Erl aufgefuhrt werde, in einem geplanten 10-Jahres- Rhythmus. Unter Beteiligung von 150 Personen aus „allen Volksschichten“: Sammlung Karasek: Faszikel „Ruma, Syrmien“ schätzt insgesamt „4.000 Zuschauer“ bzw„ nach anderer Quelle „über 3500 Personen“, vgl. die schon in den 1930er Jahren begonnene, erst 195S gedruckte Ortschronik von Carl Bischof: „Die Geschichte der Marktgemeinde Ruma“. Freilassing 1958, 164-165. 31 Für die Zeit 1923/24 hat die Mitspielerin eines Passionsstücks aus Setschan/ Petersheim (damals jugoslawisches Banat) aus dem Gedächtnis folgendes abgerufen: „Es war ein sehr schönes Spiel. Geblitzt hat es und gedonnert, wenn der Heiland am Kreuz gestorben ist.“ Aufzeichnung: Flüchtlingslager Piding, Februar 1954; Karasek-Archiv / Archivreihe 9 / Mappe 15 / Beleg 66 (namentlich nicht mehr bekannte Zeitzeugin aus Petersheim / Setschan, jugosl. Banat). Bei Befragung im Jahr 1954 schilderte ein Landarbeiter aus Sartscha (Banat) für die Zeit von 1934/35 ebenfalls ein Passionsspiel: Die Häscher auf der Bühne hätten „den Jesusdarsteller gegeißelt“, „der Herr Jesus Christus [habe] nur einen Schurz um die Lenden angehabt“ ... „Dann haben sie ihn so mit Ruten gepeitscht und wenn sie mit denen geschlagen haben, hat es nur so geklatscht. Die Ruten haben sie sich mit roter Farbe angestrichen gehabt und bei jedem Hieb ist so ein roter Strich am Körper geblieben, wie wenn der bluten tät. Ich erinnere mich noch, wie manches Weib aufgekrischen hat vor Schreck. Sie haben auch aufgekrischen, wie Jesus aufs Kreuz genagelt wurde.“ Aufzeichnung: Grenz-Auffanglager Piding, Februar 1954. S. a. Horak 1975, 167. 46