Liszka József (szerk.): Az Etnológiai Központ Évkönyve 2000-2001 - Acta Ethnologica Danubiana 2-3. (Dunaszerdahely-Komárom, 2001)

3. Fórum

anderen. Verbürgerlichung und ethnische Vorurteile in der ungarischen Gesellschaft der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In: Der Garten und die Werkstatt. Ein kultur­geschichtlicher Vergleich Wien und Budapest um 1900. Wien-Köln-Weimar: Böhlau Verlag 1992, S. 73-99). In dieser Hinsicht (auch in dieser Hinsicht!) ist die deutsche Fachliteratur viel reicher als die ungarische (ohne Übertreibung kann sie “bibliotheksreif’ bezeichnet wer­den); was sie von der ungarischen zudem noch unterscheidet, ist, daß sich neben Literaturwissenschaftlem, Historikern, Politologen, Kulturhistorikem auch Ethnologen/­­Völkskundler mit diesem ziemlich weitverzweigten Themenkreis beschäftigten, bzw. noch beschäftigen (vgl.: Helge Gemdt: Stereotypvorstellungen im Alltagsleben. Beiträge zum Themenkreis Fremdbilder - Sebstbilder - Identität. München: Münchner Vereinigung für Volkskunde 1988, S. 237). Der als ewigjung geltende Doyen der deutschen Volkskunde, Hermann Bausinger, untersucht in seinem letzten Buch die Erscheinungen der nationalen (Selbst-)Stereotypien. Schon der Titel (Typisch deutsch) läßt bei dem Autor eine bestimmte Skepsis vermuten, was von dem Untertitel (Wie deutsch sind die Deutschen?) noch mehr unterstrichen wird. Hat man das Buch durchgelesen, wird klar, daß die Situation gar nicht so einfach ist. Die Frage kann natürlich auch so gestellt werden: “was ist deutsch?” Diese Fragestellung ist im Ungarischen und Tschechischen (vgl. Jan Patocka: Was sind die Tschechen? In Schriften zur tschechischen Kultur und Geschichte. Stuttgart: Klett-Cotta 1992, S. 29-106) auch nicht unbekannt. Die Frage der Identität (“was ist britisch?”) beschäftigt in den letzten Jahren auch die Bewohner des alten Albion. Gibt es solche nationalen oder ethnischen Spezifika, die in einer bestimmten Zeit für eine bestimmte Nation und nur für diese konkrete Nation charakteristisch sind? Das Buch von Hermann Bausinger sucht (aus deutscher Sicht) die Antwort auf diese auch allgemein formulierbare Frage, woraus für mich eines klar ist: es gibt keine. Welches sind diejenigen objektiven und subjektiven Erscheinungen, die trotzdem in die Kategorie “typisch deutsch” gehören, und was ist die Brutstätte für die Herausbildung solcher Stereotypien und Vorurteile? Um über typisch deutsche Erscheinungen sprechen zu können, müßten wir wissen, was eigentlich “deutsch” ist, genauer gesagt: was und wen der Autor der Kategorie “deutsch” zuordnet, überhaupt: wen bezeichnet er als Deutschen? Das kann dem Band jedoch nicht eindeutig entnommen werden. Im Kreise der Hauptkategorie erwähnt er mal den deutschen Paß als zusammenhaltende Kraft (Staatsangehörigkeit!), mal die deutsche Sprache (Nationalität?). Da sich die nationalen Stereotypien auf “nationalem” Boden entwickelten, scheint mir ein Ersatz des Nationalen durch die Kategorie einer relativ jungen Staatsangehörigkeit etwas problematisch. Ich weiß, daß dies in Deutschland eine empfindliche Frage ist (sie heutzutage noch zu umgehen, ist vielleicht auch typisch deutsch), sie aber außer Acht zu lassen, ist trotzdem nicht möglich. Es sei mir an dieser Stelle erlaubt, über eine persönliche Erfahrung zu berichten. Als ich zum ersten mal für eine längere Zeit nach Deutschland kam, war es für mich problematisch, wie ich in den verschiedenen Formularen die Rubrik “Nationalität” ausfüllen sollte. Es geht darum, daß ich genau wußte, daß nicht meine Nationalität, sondern meine Staatsangehörigkeit abgefragt wurde. Mit salomonischem Urteil schrieb ich in die betreffende Rubrik “Ungar aus der Slowakei”. Seitdem hat sich die Situation geändert, in ähnlichen Formularen zielt die Frage jetzt auf die Staatsangehörigkeit, wo ich ohne jedwede Identitätsstörungen “Slowakisch” eintragen kann. Offensichtlich wäre es keine komplizierte Frage für einen Franzosen oder Engländer, während es für einen Ungarn aus Ungarn oder für einen Slowaken aus der Slowakei auch kein Problem gewesen wäre. Ungeachtet dessen gibt es jedoch noch dieses Problem (für einen Ungarn aus der Slowakei zum Beispiel), und ich war bestimmt nicht der einzige, dem es Sorgen bereitet hatte, sonst hätte man innerhalb weniger Jahre das Formular nicht ändern müssen. 254

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