Katholischen Gymnasium, Schemnitz, 1854

4 Wicklung des innern Menschen und auf die gleichmäßige Entfaltung seiner Anla­gen gerichtet. Im Gymnasialschüler soll und muß der Sinn für höhere Bildung erweckt werden, und die Kraft seiner geistigen Thätigkeit so erstarken, daß er auch dann mit Interesse und richtiger Wahl fortstudire, wenn er sich selbst überlassen bleibt. Wie nun diese Bildung durch die Lehrgegenstände, welche als Mittel an Gymnasien gegenwärtig angewendet werden, angestrebt und erzielt wird, dieß in der Kürze zu beleuchten, ist die Absicht dieser Zeilen. I. 1. Soll der Unterricht an den Gymnasien gedeihen und die entsprechen­den Früchte tragen, so muß sie ein wahrer religiöser Geist beleben. Denn die göttlich geoffenbarte und durch göttliche Einrichtung über alle Zweifel und Wech­sel erhabene Religion ist jener Leitstern, dessen heilbringende Strahlen den innern Menschen, alle seine geistigen Anlagen beleuchten und begeistern, ihn auf dem un­wandelbaren Wege der Offenbarung zur Erkenntniß des Edlen und Guten leiten, in ihm das Licht heiliger Wahrheiten entflammen und seinem Innern jene Kraft ertheilen, die es vom Schooße der Erde zum Sitze der ewigen Heimat empor­schwingen. Der menschliche Geist von dem Lichte der beseeligenden Religion ge­leitet, wird auch im Gebiete des weltlichen Wissens gedeilicher fortschreiten; denn das Licht des Evangeliums erleuchtet die Wissenschaft und veredelt die Kunst. Was die Welt an Tugend und echter Bildung aufzuweisen hat, ist durch den se­gensreichen Einfluß dieser göttlichen Weisheit im vollen Glanze zu Stande ge­kommen. Die Religion wird daher auf dem Gymnasium wie überall um ihrer selbst, ihres absoluten Werthes willen gelehrt, und nicht als bloße Sache des Ge- dächtnißes behandelt, sondern durch feste Gründe der christlichen Überzeugung zum klaren und regen Bewußtsein gebracht, und durch religiöse Übungen und Beleh­rungen im ganzen geistigen Wesen des Schülers so bestärkt, daß der Wille der klaren Erkenntniß der Heilswahrheiten in allerlei Lebensverhältnissen stets freudig folge. Der zuentlassende Gymnasialschüler soll zur sittlich-religiösen Selbstständig­keit herangebildet und zur Behauptung derselben zugleich mit einer Willenskraft und mir solchen Waffen des Wissens ausgerüstet werden, daß er den vorauszusehen- dcn Hemmnissen und feindlichen Angriffen der Tugend und Wahrheit völlig ge­wachsen ist. Damit aber der religiöse Unterricht in seinen Folgen gedeihe, und die Religion das bewirke, was sie vermöge ihrer göttlichen Bestimmung zu bezwecken har, muß sie an Gymnasien jene Stellung einnehmen, die ihrer Erhabenheit zu­steht. Der Altar der Religion soll daher der einigende Mittelpunkt sein, an wel­chen die verschiedenen Lehrgegenstände wie die einzelnen Radien eines Kreises zu- sammenströmen, und die heilige Flamme, die auf ihm lodert, soll sämmtliche Leh­rer bei aller Mannigfaltigkeit der Lehrzweige und des Srrebens entzünden und beleben, damit sie die einzelnen weltlichen Wissenschaften stets im Einklänge mit der göttlichen Wahrheit pflegen und mir christlicher Salbung erklären, alles sorg­fältig in Worten und Tbaten vermeidend, was das zarte sittlich - religiöse Gefühl wie immer fäbrden könnte.

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