Judit Tamás: Verwandte typen im schweizerischen und Ungarischen kachelfundmaterial in der zweiten hälfte des 15. jahrhunderts (Művészettörténet - műemlékvédelem 8. Országos Műemlékvédelmi Hivatal,1995)

Auswertung

Südlich der Linie Breslau - St. Gallen hatten die Ofener Ratsherren unter den deutschen Bürgern überall Verwandte 447 , ebenso wie sich diese deutschen Bürger von Basel bis Krakau immer untereinander verheirateten. 448 Eine typi­sche Figur dieser Kaufleute war Heinrich Munich, der durch seine Ehe das gesamte Siebenlinder-Vermögen erbte; er starb noch vor 1449. 449 Aus unserer Sicht darf nicht außer acht gelassen werden, daß das bekannte Basler Adelsge­schlecht, aus welchem er vermutlich stammte, die Löwenburg (Pleigne, JU) ­den Fundort der Variante K der Rosettenkacheln - das ganze 15. Jahrhundert hindurch besaß und dort zahlreiche Öfen setzen ließ. 459 Neben ihm ist uns aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts (1419) noch ein „apothecarius" namens Konrad aus Konstanz bekannt. 451 Zum großen Handelsaufschwung kam es aber erst später, in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts, als die Grenzstädte - wie z.B. Preßburg - das Stapelrecht und damit auch die Vermittlerrolle zwischen Ober­deutschland und Ofen verloren. 452 Zu dieser Zeit vermehren sich auch die bereits vom Anfang des Jahrhunderts an nachweisbaren Kontakte direkt zum Bo­denseeraum. 1458, als der Preßburger Gailsam - der übrigens der Schwiegersohn von Munich war - gegen einen Basler einen Prozeß führte, wurden in Wien zwei Ofener und ein St. Gallener Bürger als Zeugen - also als solche, die bei der be­handelten Angelegenheit anwesend waren - genannt. 453 Etwas später ließen sich die Vogelweiders, die Häupter einer der größten Handelsgesellschaften in St. Gallen, in Buda nieder; ein Mitglied der Familie muß schon 1484 in Ungarn gewohnt, ja sogar das Ofner Bürgerrecht erworben haben. Daneben besaß er in Wien ein Haus und pflegte Handelsbeziehungen zu Krakau; die Firma selbst hat von Frankfurt bis Polen überall Handel getrieben. 454 Wenngleich wir keinerlei unmittelbare Zeugnisse darüber besitzen, ob diese Handelsfamilien bei der Verbreitung dieser vom Elsaß bis Ungarn zum Gemein­gut der Ofenhafnerei gewordenen Motive irgendeine Rolle gespielt haben, sind wir der Meinung, daß Handelsverbindungen - nicht zuletzt, weil sie bereits früher existiert haben und auch dauerhafter waren als die dynastischen - eben­falls, wenn nicht gar viel eher, „Verkehrswege" von Kacheln, Modeln, Modellen und Vorlagen sein konnten als die angeblichen königlichen Geschenke. Nachdem wir alle theoretisch möglichen Variationen zur Entfaltung der Ver­bindungen im Bereich des Kachelgewerbes aufgezählt haben, bleibt uns nichts als das Zugeständnis, daß wir leider nicht wissen, welcher Weg oder welche Ver­sionen in der Relation Oberrhein/Bodenseeraum - Ungarn tatsächlich funktio­niert haben. Daher müssen wir uns mit einigen negativen Erfolgen abfinden: wir wissen lediglich, was sicher nicht der Fall ivar: — Die Ofenhafner der beiden Regionen haben sicher nie mit den gleichen Negati­ven gearbeitet (wobei hier an die Marienkachel A und an den in Hamburg aufbe­wahrten Verkündigungsengel als an eventuelle Ausnahmen erinnert werden muß) . — Sie haben die Kacheln einer Werkstatt der anderen Region gewiß nicht unmit­telbar kopiert. — Die früheren Ansichten, nach denen sich die gemeinsamen Motive von einer der beiden Regionen ausgehend bis in die andere hinein verbreitet haben sollen und demgemäß hinsichtlich ihrer „Erfindung" im Falle des Kreises der Öfen mit Rittergestalten den ungarischen, bei den Medaillonkacheln hingegen den schweizerischen Werkstätten Priorität zukäme, sind mit Sicherheit nicht mehr vertret­bar. Statt dessen hat sich in den beiden Regionen je eine selbständige Entwicklung vollzogen, die von der anderen nur indirekt - durch gegenseitige Übernahme künstle-

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