Judit Tamás: Verwandte typen im schweizerischen und Ungarischen kachelfundmaterial in der zweiten hälfte des 15. jahrhunderts (Művészettörténet - műemlékvédelem 8. Országos Műemlékvédelmi Hivatal,1995)

Auswertung

Obwohl die uns zur Verfügung stehenden Quellen nichts über die innere Struktur des oberrheinischen Hafnerbundes aussagen, gibt es einen Umstand, der nicht zu übersehen ist: nämlich daß das Verbreitungsgebiet der zwei von uns untersuchten Kachelgruppen sich mit dem Zuständigkeitsbereich der erwähnten Handwerkerorganisation eigentlich hundertprozentig deckt. So scheint es be­gründet, zwischen der Standardisierung der Ofenkeramik (warenmäßig einheitli­che Größe der Blattkacheln), der mittelalterlichen Serienproduktion (abgetrage­ne Preßformen) und der bei aller Dezentralisierung der Produktion (mehrere Werkstätten von lokaler bis regionaler Bedeutung) mehr oder weniger gleichen Verzierung und Qualität einerseits und dem Vorhandensein dieser Hafnerverei­nigung andererseits irgendeinen Zusammenhang zu suchen. Aus diesem Grund betrachten wir den unter Offenburgs Schirmherrschaft gebildeten oberrheini­schen Hafnerbund als die Institution, in deren Rahmen sich die Verbindungen unter den einzelnen Werkstätten entfalten konnten und es zu einem Austausch von Motiven im dargelegten Umfang „von Ravenspurg bis ... Strassburg" kommen konnte. Umstritten bleibt dabei, inwieweit sich das Schwergewicht des Töpferge­werbes in den städtischen Bereich verlagert hat, bzw. ob die bereits im 13./14. Jahrhundert begonnene „Urbanisierung" der (Ofen-)Keramik 319 weiterging. Obwohl gerade anläßlich der Gründung des oberrheinischen Hafnerbundes nachdrücklich erörtert wurde, daß landsässige Meister das Hafnerhandwerk min­destens ebenso intensiv wie ihre städtischen Kollegen betrieben haben 320 , stellt sich uns die Kachelindustrie der süddeutschen Region in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts - in jedem Fall was die zwei hier behandelten großen Kachel­kreise anbelagt - angesichts der sich in den Städten konzentrierenden Fundor­te 321 und vor allem der Werkstattfunde als ein im wesentlichen stadtsässiger oder zumindest in der Produktion auf den städtischen Markt ausgerichteter, wohl auch zünftisch organisierter Handwerkszweig dar. Der ausgewogenen, standardisierten Kachelproduktion von mittlerer bis guter, aber nicht ausgezeichneter Qualität in der Schweiz steht in Ungarn eine exklusi­vere und hierarchisch besser aufgebaute gegenüber. Der Vertrieb von Produkten der Ofenhafnerei auf einem Niveau, das u.a. die Originalerzeugnisse der Werk­statt des Ofens mit Rittergestalten und die Budaer Medaillonkacheln repräsentie­ren, beschränkt sich 322 auf die Residenzen des Königs 323 und der weltlichen 324 sowie geistlichen 325 Hochadligen, bisweilen des niederen Adels 326 , während man ihre Kopien und Nachschöpfungen sowohl beim höheren 32/ und niederen 328 Adel als auch in den Klöstern 329 antrifft. Die Produktionsstätten, die solch kost­bare Waren wie den Ofen mit Rittergestalten und die Medaillonkacheln hervor­brachten, pflegt man in Hinblick auf ihren Abnehmerkreis und die qualitätsvolle Modellierung der Kachelreliefs zentrale, höfische oder königliche Werkstätten zu nennen, obgleich es nicht sicher ist, daß in ihnen ausschließlich höfische Künstler auf Bestellung des Herrschers gearbeitet haben. Momentan sind wir nicht in der Lage, auf diese Diskussion 330 eingehen zu können; wir möchten le­diglich daraufhinweisen, daß, während im süddeutschen Raum sowohl der Pro­duzent als auch der Verbraucher der zwei vorliegenden Kachelgruppen in erster Linie die städtische Bevölkerung war, sich in Ungarn hinter den verschiedenen qualitativen Niveaus der Hafnerware allem Anschein nach die soziale Gliederung des Kundenkreises verbirgt. Neben den königlichen Werkstätten werden ja zum ersten Mal gerade in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts auch städtische und ländliche Meister erfaßbar. Die in Städten oder Marktflecken tätigen Werkstätten können im Vergleich zu den höfischen mit einem bescheideneren Musterschatz und eventuell einem qualitativen Unterschied charakterisiert werden. Häufig ko-

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