Judit Tamás: Verwandte typen im schweizerischen und Ungarischen kachelfundmaterial in der zweiten hälfte des 15. jahrhunderts (Művészettörténet - műemlékvédelem 8. Országos Műemlékvédelmi Hivatal,1995)
Übersicht - II. Medaillonkacheln - g. Papst Gregor - h. Gottesmutter mit Gotteslamm - i. Pelikan Wappenhaltende
dung des quadratischen Innenfeldes im Verhältnis zu A 16%. Anhand dieser Beobachtung könnte man meinen, daß die Variante B eine einfache Kopie von A ist. Die unterschiedliche Herausbildung des Hintergrundes stellt dies jedoch in Frage, denn das einzigartige netzähnliche Muster ist lediglich auf A vorhanden. Wurde es nachträglich in die Preßform eingeritzt, als man den Model von B davon bereits abgenommen hatte? Damit ist aber das Inventar der schweizerischen Pelikankacheln noch nicht erschöpft; es folgen die publizierten Exemplare. Alle uns bekannten gehören wahrscheinlich der Variante A oder B an, ihre typologische Zugehörigkeit konnte aber nicht genauer bestimmt werden. Zuerst wurden die Funde aus dem Schloß zu Neuenburg 221 und aus Hallwil (AG) 222 veröffentlicht, später kam noch je eine Pelikankachel aus der Wasserburg Mülenen (Gemeinde Schübelbach, SZ) 223 , aus Bremgarten (AG) 224 , aus der Burg Valangin (NE) 225 und zuletzt aus der Burg von Bosenstein im Schwarzwald (BW, Deutschland) 226 hinzu. Auch weiter in den Süden gelangte das Motiv, bis nach Cavalese (Norditalien). 227 Formal gesehen einen Ubergang repräsentiert die quadratische, grünglasierte Blattkachel aus der Burg Eisenberg im Allgäu (BW, Deutschland), auf der die Körperhaltung des Pelikans und die gotische Minuskelinschrift „maria" eher schweizerischen, die nesthockenden Jungen aber fremden (Werkstatt des Ofens mit Rittergestalten?) Einfluß vermuten lassen. 228 Wie wir schon am Anfang darauf hingewiesen hatten, erscheint die symbolische Vogelgestalt auch in Ungarn, interessanterweise aber nicht auf Blatt-, sondern auf Tellerkacheln. 229 Letztere Tatsache verdient besonders deshalb Aufmerksamkeit, weil diese Kachelkonstruktion auf ungarischem Boden sonst nahezu unbekannt ist 230 , als würde selbst die in der Schweiz so häufige Form der Kacheln von Nagyvázsony ihre ausländische Herkunft bestätigen. Die beiden pelikán verzierten Tellerkacheln (Abb. 123) fand man im Paulinerkloster von Nagyvázsony, im Abfall des an die Küche grenzenden Raumes, wo sie zusammen mit zwischen 1489/91 und 1535 geprägten Münzen zum Vorschein kamen. Vom ursprünglich quadratischen Innenfeld der süddeutschen Pelikankacheln wurde auf ihnen nur das kreisförmige Medaillon beibehalten. Anstelle der Inschrift „maria" ist deren entstellte Nachahmung zu lesen; der die Preßform modellierende Meister hat die originale Inschrift offenbar nicht verstanden, sie aber nachschaffen wollen und statt gotischer Minuskeln ihre Imitation geschnitzt. Auch die Federn am Hals des Pelikans sind den entstellten Buchstaben der Inschrift ähnlich, der Formschneider war sich also nicht einmal über die Funktion dieses Motivs im klaren, weshalb er es „stilisierte". Für uns ist nun von der ganzen Darstellung die Verzierung des Hintergrundes am interessantesten, weil sie über den Zusammenhang des Typs mit seinen schweizerischen Analogien das meiste aussagt. Dieser Hintergrund ist nämlich zum Teil - der schweizerischen Variante A ähnlich - retikulär verziert, zum Teil mit winzigen Dreiecken „punziert". Zwar erwecken die kleinen Ausmaße und die weitgehend verschwommenen Konturen den Eindruck, als wären sie das Resultat mehrmaligen Kopierens, und obwohl die ungarischen Exemplare der schweizerischen Variante A am nächsten stehen, konnten sie dennoch weder unmittelbar von dieser, noch von den anderen dortigen Pelikankacheln kopiert werden. - Das beweisen vor allem die Unterschiede in den Details der Komposition (Hintergrund, entstellte Inschrift). - Ein zweiter Beweis dafür ist die unproportionierte Brennschwindung: im Verhältnis zu A schwanken die Werte zwischen 0 und 40% (der Durchschnitt beträgt 14%), im Vergleich zu B zwischen 0 und 16,7% (im Durchschnitt 5,6%).