Judit Tamás: Verwandte typen im schweizerischen und Ungarischen kachelfundmaterial in der zweiten hälfte des 15. jahrhunderts (Művészettörténet - műemlékvédelem 8. Országos Műemlékvédelmi Hivatal,1995)
Übersicht - I. Produkte der Werkstatt des Ofens mit Rittergestalten und verwandte Kacheltypen - b. Baumbewachende Löwen
und einen Teil des sich zwischen den Beinen windenden Löwen Schwanzes 109 ; ein winziges Bruchstück mit Löwenmähne mag zu einer Kachel ähnlichen Typs gehört haben. 110 Da die Basler Löwenkachel (C) viel ausdrucksvoller und kräftiger modelliert ist, da sich ihr Abdruck durch seine ausgezeichnete Qualität von allen soeben aufgezählten Kacheln unterscheidet, und nicht zuletzt weil sie die Jahreszahl 13[/4] 35 trägt, die im allgemeinen als Herstellungsdatum angenommen und dadurch die Kachel relativ früh dauert wird, meinen die meisten Forscher den Ursprung des Motivs des baumbewachenden Löwen in Peter Hartliebs Basler Werkstatt gefunden zu haben. Unsere eigenen Vermessungen widersprechen dieser Feststellung nicht, ja bekräftigen sie sogar in gewisser Weise, ohne sie jedoch hundertprozentig bestätigen zu können. Neben Basel, das Priorität genießt, kommen nämlich auch noch andere Ursprungsgebiete in Betracht, und es läßt sich im Grunde genommen feststellen, daß die Forschung in bezug auf die Herkunft des Motivs unsicher ist. Rosemarie Franz erwähnt als eine zweite Möglichkeit den Bodenseeraum und will nicht sämtliche süddeutschen Löwenkachelvarianten von Hartliebs Werkstatt herleiten. 111 Konrad Strauss betont mehrfach, daß die Model der baumbewachenden Löwen auch in Schaffhausen und Stein am Rhein heimisch waren. 112 Recht dürften beide haben, denn die baumbewachenden Löwen sind sicher nicht aus einer einzigen Werkstatt hervorgegangen. Anhand unserer eigenen Materialaufnahme haben wir den Versuch unternommen, zwei dieser Werkstätten (Werkstattgruppen?) abzusondern, die sich voneinander erstens im verwendeten Material, zweitens in der Struktur ihrer Erzeugnisse unterscheiden. Die Basler Werkstatt hat mit einer rötlichen, körnigen, vermutlich lokalen Tonart gearbeitet und unseren gegenwärtigen Kenntnissen nach mit dem besagten Motiv nur Kranzkacheln erzeugt. Was die aus dem „typisch zürcherischen" Ton geformten Blattkacheln von Zürich, Schaffhausen und Stein am Rhein betrifft, kann vorderhand nicht entschieden werden, ob sie alle einer Werkstatt entstammen, die eines ihrer eigenen Produkte kopierte, um eine neue Preßform zu erhalten, nachdem die alte kaputtgegangen war, oder aber zwei Werkstätten, von denen die eine sich das Motiv durch Kopieren einer Löwenkachel der anderen beschaffte. Zwischen der Basler Werkstatt und den Werkstätten (?) der Zürich - Bodensee - Region dürfte nur eine indirekte Verbindung bestanden haben, die uns leider nicht näher bekannt ist. Das Verbreitungsgebiet der baumbewachenden Löwen (Karte 3) stimmt im großen und ganzen mit dem der oberrheinischen Rosettenkacheln überein, ist jedoch in einer Hinsicht etwas kleiner, in anderer etwas größer als jenes. In nordsüdlicher Richtung reicht es vom Rhein bis nach Zürich (eventuell bis Luzern 113 ), in west-östlicher Richtung von Basel bis Ravensburg, dann aber auch weiter bis nach Regensburg und Preßburg. Da letztgenannte Fundorte an der Donau liegen, scheint uns die Annahme begründet, daß die Kacheln oder eher ihre Model stromabwärts dorthin geliefert wurden; auf die mutmaßliche Rolle der Donau als Transportweg im Keramikhandel kommen wir später noch zurück. Ungeachtet aller oben beschriebenen, mehr oder weniger werkstattspezifischen Abweichungen sind die Negative der süddeutschen Löwenkacheln in zwei Punkten identisch: man findet auf ihnen weder felsigen Boden noch einen gotischen Rankenast. Das Fehlen dieser Verzierungselemente gewinnt an Bedeutung, wenn man sie mit den baumbewachenden Löwen aus der Werkstatt des Budaer Ofens mit Rittergestalten vergleicht. Die Komposition dieser quadratischen Blattkacheln stimmt in großen Zügen mit der ihrer schweizerischen Analogien überein, bei den Details aber weist sie
