Karl Alfred von Zittel: Handbuch der Palaeontologie. 1. Abtheilung, Paleozoologie. IV. Band: Vertebrata (Mammalia) (München und Leipzig, 1891-1893)

5. Classe. Mammalia. Säugethiere - Gebiss

42 Vertebrata. in bestimmten Grenzen erhalten. Bei den mit Wurzeln versehenen Zähnen (Fig. 25 A D E) verengt sich die Pulpa nach unten zu einer feinen Röhre und durchbohrt das Ende jeder Wurzel mittelst einer kleinen Oeffnung, durch welche der Zahnnerv und das ernährende Blutgefäss eindringen. Der ganze Zahn ändert in diesem Falle seine Form nicht mehr, die Krone behält ihre Höhe und wird im Alter durch Abkauung erniedrigt, oder fast gänzlich beseitigt. Zähne mit persistenter Pulpa können zuweilen im hohen Alter die Oeffnung an ihrer Basis schliessen oder doch sehr verengen und dadurch das Längenwachsthums des Zahnes zum Stillstand bringen. Bei vielen Nagern und Hufthieren (Pferd, Toxodontia, Wiederkäuer) besitzen die Backzähne in der Jugend an ihrer Basis weit geöffnete Pulpen, welche eine beträchtliche Höhenzunahme gestatten, später jedoch können sich diese Zähne schliessen, die Pulpa verengen und sogar getrennte Wurzeln bilden. Damit hört stets das Höhenwachsthum des betreffenden Zahnes auf. Zähne mit niedriger Krone, wohl entwickelten Wurzeln und an der Basis ver­engter Pulpa werden brachyodont (Fig. 26 A), solche von hoher cylindrischer oder prisma­tischer Gestalt mit weit offener Pulpa, ohne oder mit nur im hohen Alter vorhandenen schwachen Wurzeln hypselo dont oder hyp­sodont (Fig. 26 C) genannt. Die Ausbildung der Säugethierzähne wird wesentlich durch ihre physiologische Funktion beeinflusst. Dienen sie lediglich zum Ergreifen und Festhalten der Nahrung, so entspricht der einfache Kegelzahn am besten dieser Aufgabe ; werden sie als Waffe oder als Instrumente zur Beseitigung von Hindernissen verwendet, so verlängern sie sich, ragen aus der Mundhöhle vor und wandeln sich in Stosszähne um (Ele­phant, Walross, Narwal, Nilpferd etc.). Ist die Nahrungszufuhr reich­lich und bedarf es zur Zerkleinerung derselben einer vollkommeneren Einrichtung, so tritt Arbeitsteilung und Specialisirung des Gebisses ein. Gewissen Zähnen fällt die Funktion zu, die Nahrung zu ergreifen und festzuhalten, anderen dieselbe zu zerreissen oder zu zerschneiden, zu zerquetschen, zerreiben oder zu zermalmen und da diese Arbeiten meist in verschiedenen Theilen der Mundhöhle ausgeführt werden, so erleiden die vorderen Zähne andere Differenzirungen als die hinteren. Ein gänzlicher Mangel an Zähnen tritt nur dann ein, wenn wie Fig. 2G. A Brachyodonter Zahn von Anchitherium. B Schwach hyp­selodonter Zahn von Hipparion. C Hy pselodonter Zahn von Equus (aus Steinmann - Döder­1 ein).

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