Karl Alfred von Zittel: Handbuch der Palaeontologie. 1. Abtheilung, Paleozoologie. I. Band: Protozoa, Coelenterata, Echinodermata und Molluscoidea (München und Leipzig, 1880)
III. Stamm. Echinodermata, Stachelhäuter - 4. Classe. Holothurioidea. Seegurken, Seewalzen
Stammesgeschichte. Holothurioidea. 559 zweite, minder kräftige erfolgte am Schluss der Kreideformation, die dritte bei Beginn der mittleren Kreidezeit in der Cenoman- und Turonstufe. Wären die Seeigel für die Abgrenzung der Formationen massgebend gewesen, so würde die Juraformation erst mit dem Aptien scliliessen und die Kreide mit dem Gault beginnen. Nach AI. Agassiz hätten die phylogenetischen „Umprägungsperioden" auch in der Entwicklungsgeschichte der recenten Seeigel ihre Wiederholung, indem gewisse Stadien der Metamorphose mit grösserer Geschwindigkeit zurückgelegt werden, als andere. Wendet man die zur Rangbestimmung im Thierreich massgebenden Sätze auf die Echinoideen an, wornach grössere Differenzirung ein und derselben Organisation , Concentrirung und Reduction gleichwertiger Organe eine Vervollkommnung bedeuten und wornach persistente Jugendformen den weiter entwickelten reifen im Rang hintan stehen, so nehmen die Reguläres wegen ihres radiären , indifferenten Baues die tiefste , die Spatangiden wegen ihres ausgesprochen bilateralen, stark diiferenzirten Baues die höchste Stufe ein. Zwischen beiden liegen die exocyclischen Gnathostomen , welche mehr nach den Regulären gravitiren, sowie die Cassiduliden und Holasteriden, die sich enger an die Spatangiden anschliessen. Die ganze phyletische Entwicklung der Echinoideen zeigt unverkennbar im Erscheinen der verschiedenen Ordnungen und Familien und in der Aufeinanderfolge der einzelnen Gattungen nicht nur eine Zunahme des Formenreichthums und eine allmälige Annäherung an die Jetztzeit, sondern auch eine aufsteigende Entwicklung vom Unvollkommenen zum Vollkommeneren, einen stetigen Fortschritt vom Niederen zum Höheren. 4. Classe. Holothurioidea. Seegurken, Seewalzen. Die Erhaltungsfähigkeit dieser walzen- und keulenförmigen Körper, welche in ihrer ganzen Erscheinung eher an grosse Würmer, als an Echinodermen erinnern, ist eine überaus geringe, weil die Holothurien eines zusammenhängenden Kalkskeletes entbehren und weil die isolirten, in der Lederhaut eingestreuten Kalkkörperchen so winzig und so zerbrechlich sind, dass sie der Beobachtung leicht entgehen, wenn sie überhaupt fossilisationsfähig sind. Jene Kalkkörperchen haben übrigens meist eine sehr regelmässige und charakteristische Form; es sind Anker, Rädchen, kleine netzförmige Plättchen, welche sich, auch wenn sie vereinzelt vorkommen, wohl bestimmen lassen. Was übrigens bis jetzt von fossilen Resten den Holothurien zugezählt wurde, ist grössentheils zweifelhaften Ursprungs.