Karl Alfred von Zittel: Handbuch der Palaeontologie. 1. Abtheilung, Paleozoologie. I. Band: Protozoa, Coelenterata, Echinodermata und Molluscoidea (München und Leipzig, 1880)

Einleitung - IV. Systematik

44 Systematik. Im Allgemeinen zeichnen sich die Thiere, abgesehen von ihrer Fähig­keit zu empfinden und sich zu bewegen, durch ihre gedrungene äussere Form und durch das Vorhandensein zahlreicher innerer Organe aus. Bei den Pflanzen liegen die ernährenden Organe in der Peripherie und nehmen einen grossen Flächenraum ein. Die pflanzlichen Gewebe bestehen aus scharf begrenzten Zellen, welche sich zu verschiedenartigen Complexen anordnen , während bei den thierischen Geweben die Einzelzellen selten bestimmt umschrieben erscheinen. Die Pflanzen können ihre Nahrung unmittelbar aus der Atmosphäre und aus dem Boden aufnehmen, die Thiere bedürfen der Hauptsache nach organische Verbindungen zu ihrer Ernährung ; erstere vermögen Kohlensäure zu zerlegen , den Kohlenstoff daraus zu assimiliren und Sauerstoff' auszuhauchen, letztere nehmen Sauer­stoff auf, athmen Kohlensäure aus und scheiden stickstoffhaltige Zersetz­ungsprodukte ab.*) Systematische Abtheilungen. Jedes der beiden Reiche setzt sich aus einer Fülle in ihrer Organisation mehr oder weniger von einander abweichender Formen zusammen. Im System werden mit Berücksichtigung sämmtlicher Merkmale, welche Morphologie, Anatomie, Entwicklungsge­schichte und Abstammungsgeschichte liefern, die Einzelformen in engere und weitere Gruppen vereinigt. Sämmtliche Formen innerhalb eines Reiches, mögen sie noch leben oder bereits erloschen sein, welche in den wesentlichsten Grundzügen ihres Baues übereinstimmen und welche muthmasslich von einer gemein­samen Urform abstammen, bilden einen Stamm, (Phyton, Typus, Em­branchement , Kreis oder Unterreich). Die verschiedenen Stämme zer­fallen wieder in Classen, Ordnungen, Unterordnungen, Familien und Gattungen. Die Gattungen (Genera) bestehen aus Arten (Species) und diese können wieder in Unterarten (Subspecies), Racen und Varietäten *) Wenn man nach diesen Merkmalen zwar die überwiegende Mehrzahl der Pflanzen und Thiere scharf von einander scheiden kann, so bleiben noch immer eine Menge sehr niedrig organisirter Lebewesen übrig, bei .welchen die Bestimmung ihrer Stellung die grösste Schwierigkeit verursacht. Für diese indifferenten, weder als echte Thiere, noch als echte Pflanzen aufzufassenden Formen bat E. Haeckel, (GenerelleMorphologie, Bd. 1. S. 203) die Aufstellung eines besonderen Reiches, der „Protisten", vorge­schlagen. „Einzelne Classen dieser Protisten (die Diatomeen, Schleimpilze, Vibrionen) schliessen sich eng an das Pflanzenreich an, während sich bei anderen (Rhizopoden und Infusorien), bedeutende an die thierische Oekonomie erinnernde Erscheinungen, ja sogar anatomische Zustände zeigen, die fast unmittelbar in höhere Stämme sich fortsetzen, so dass sich Gründe genug ergeben, aus einer Anzahl der den Protisten ange­hörigen Abtheilungen mit den Infusorien zusammen den (Thier-) Kreis der Protozoen zu bilden, unter dem Vorbehalt jedoch, dass man es hier mit genealogisch verbundenen Gruppen keineswegs zu thun hat." (Gegenbanr).

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