Karl Alfred von Zittel: Handbuch der Palaeontologie. 1. Abtheilung, Paleozoologie. I. Band: Protozoa, Coelenterata, Echinodermata und Molluscoidea (München und Leipzig, 1880)

Einleitung - IV. Systematik

Systematik. 43 IV. Systematik. Anordnung' des Stoffes. Für die systematische Anordnung des palaeontologischen Materials stehen zwei Wege offen , je nachdem ent­weder die historische oder morphologische Seite der Palaeontologie in den Vordergrund gestellt wird. Man kann die Versteinerungen entweder in der Reihenfolge ihres Auftretens nach einzelnen Formationen oder For­mationsabtheilungen aufzählen oder dieselben nach ihrem Bau , ihren morphologischen Eigenschaften , ihrer Entwicklungsgeschichte — kurz nach ihrer natürlichen Verwandtschaft an einander reihen. Auf letzterein Wege ist eine genaue Kenntniss der Fossilien hinsichtlich ihrer Organi­sationsverhältnisse, ihrer Beziehungen unter einander, sowie zu ihren jetzt lebenden Verwandten am sichersten und leichtesten zu gewinnen. Es soll darum in diesem Buche der systematische Theil vorausgeschickt und erst diesem eine Uebersicht der historischen Aufeinanderfolge der Versteinerungen nebst einer Darlegung der allgemeinen Gesetze, welche sich daraus ableiten lassen, angereiht werden. Die biologischen Systeme stellen den jeweiligen Ausdruck unserer Erfahrung über die gegenseitigen Beziehungen der Organismen dar; sie sind vom jedesmaligen Stande unserer Erkenntniss derselben abhängig und darum auch mehr oder weniger tiefgreifenden Veränderungen unter­worfen. Die fossilen Formen lassen sich überall zwischen die noch leben­den einfügen und vervollständigen die botanischen und zoologischen Systeme. Thier- und Pflanzen-Reich. Die organischen Wesen wurden von jeher in zwei Hauptgruppen oder „Reiche", in jenes der Pflanzen und das der Thiere eingetheilt. Pflanzen und Thiere leben und ent­wickeln sich; den ersteren wurde die Fähigkeit zu empfinden und sich willkürlich zu bewegen abgesprochen und damit glaubte man ein un­trügliches Mittel zu haben, um sie von den „mit Seele" begabten Thiere 11 zu unterscheiden. So wenig Schwierigkeiten es macht, die fundamentalen Verschiedenheiten eines Baumes und eines Wirbelthieres zu erkennen, so gross werden dieselben, wenn es sich darum handelt zwischen den tiefsten Gliedern der beiden Reiche durchgreifende Unterschiede aufzustellen. Schon Aristoteles erschienen diese Schwierigkeiten fast unübersteiglich und auch heute haben die verfeinerten Untersuchungsmethoden, über welche Botanik, Zoologie , Anatomie und Physiologie gebieten noch nicht dazu geführt, scharfe Grenzmarken zwischen Pflanzen- und Thierreich zu setzen.

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