Karl Alfred von Zittel: Handbuch der Palaeontologie. 1. Abtheilung, Paleozoologie. I. Band: Protozoa, Coelenterata, Echinodermata und Molluscoidea (München und Leipzig, 1880)

Einleitung - II. Vorkommen und Aufeinanderfolge der Versteinerungen in den Erdschichten

Vorkommen und Aufeinanderfolge der Versteinerungen in den Erdschichten. 18 zu den jüngsten Schichten eine allmälige Annäherung an die jetzige Schöpfung. 3) Die verschiedenen in den Erdschichten begrabenen Floren und Faunen folgen auf der ganzen Erde in derselben gesetzmässigen Weise aufeinander : die in der chronologischen Reihenfolge (im Alter) am nächsten stehenden Schichten enthalten auch die ähnlichsten Versteinerungen, die im Alter entfernt stehenden lassen grosse Differenzen erkennen. 4) In der Entwicklung der organischen Schöpfung war beständiger Wechsel. Die Arten irgend eines Schichtencomplexes wurden in dem nächst folgenden entweder vollständig oder theilweise durch andere ähnliche ersetzt. 5) Jede Art besitzt, wie das Individuum eine gewisse kürzere oder längere Lebensdauer, nach deren Ablauf sie erlischt, um niemals wieder zu erscheinen. Aus diesen Erfahrungssätzen geht hervor, dass sich das ungefähre Alter einer Schicht scltön nach dem Aehnlichkeitsgrade ihrer Versteine­rungen mit den Formen der heutigen Schöpfung bestimmen lässt. Zur Erkennung äquivalenter (d. h. gleichaltriger) Schichten dient die Vergleichung der in ihnen enthaltenen Versteinerungen. Im Allgemeinen beweisen identische Versteinerungen auch die Gleichaltrigkeit der sie umschliessenden Schichten. Ohne Einschränkung darf jedoch dieser Satz nicht angewendet werden. Zu keiner Zeit war nämlich die Erde vollständig vom Meer bedeckt, in welchem allenthalben die gleichen Geschöpfe existirten und später be­graben wurden. Es gab vielmehr zu allen Zeiten Festländer, offene Meere, Binnenmeere und Landseeen. Schon dadurch ist die Localisirung gewisser Formen bedingt und diese wird noch mehr begünstigt durch abweichendes Klima und sonstige verschiedene Existenzbedingungen. Wie sich heutzu­tage Pflanzen und Thiere in geographische Reiche und Provinzen ver­theilen, von denen einige ziemlich scharf gegen ihre Nachbarschaft abge­grenzt sind, so gab es zu allen Zeiten bestimmte Centren, von wo aus eine grössere Artenzahl sich nach allen Richtungen verbreitete, bis sie durch Schranken aufgehalten wurden. Wenn auch namentlich in den ältesten Schichten die Organismen eine allgemeinere Verbreitung be­sassen, als in späteren Ablagerungen, so kann man doch schon jetzt mit Sicherheit einige der ehemaligen thiergeographischen Provinzen aus der Vertheilung der Versteinerungen erkennen. Sobald sich nun durch irgend ein Ereigniss für gewisse Arten die Lebensbedingungen ungünstig ver­änderten, konnten dieselben zur Auswanderung in andere Gebiete ge­zwungen werden und dort noch lange Zeit fortexistiren , während sie in ihrer Heimath längst ausgestorben waren. Unter solchen Umständen konntön ihre Ueberreste auch in der einen Provinz in älteren, in der

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