1100 Jahre österreichische und europäische Geschichte in Urkunden und Dokumenten des Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1949)

1100 Jahre österreichische und Europäische Geschichte - Einleitung

Staatsarchiv bedeutsam weiterentwickelt. Die planmäßige Übernahme umfangreicher Archivkörper wurde zum Teil durchgeführt, zum Teil in Aussicht genommen und durch kaiserliche Entschließung vom Jahre 1811 wurde bestimmt, daß ,,das geheime Staats-, Hof- und Hausarchiv zu einem Centralinstitut aller für die Geschichte und das Interesse des Staates wichtigen Urkunden und Instrumente“ werden sollte. Damit ist das Haus-, Hof- und Staatsarchiv zu einem Weltarchiv geworden. Praktische Gründe der Durchführbarkeit der Einziehung und Übernahme von auswärtigen Archiv­beständen, Widerstände einzelner Behörden und Ministerien aber auch der Länder und schließlich die Neugestaltung der Monarchie im Jahre 1867, durch die das Ministerium des Äußern, dem das Archiv unterstand, zu einer k. u. k. gemeinsamen Behörde wurde, haben es verhindert, daß das Haus-, Hof- und Staatsarchiv tatsächlich zu einem österreichischen Zentralarchiv werden konnte. Erst die Schaffung des Österreichischen Staatsarchivs im Jahre 1945 hat die Idee eines österreichischen Zentralarchivs wenig­stens in der Weise verwirklicht, daß diese neue Archivanstalt sämtliche Archive aller österreichischen Zentralbehörden in sich vereinigt; die erste Abteilung des Österreichischen Staatsarchivs aber bildet das Haus-, Hof- und Staatsarchiv. Die wichtigsten Abteilungen des Haus-, Hof- und Staatsarchivs sind: 1. Das altösterreichische Staatsarchiv (Babenbergisch-Habsburgisches Archiv bis c. 1500); 2. die deutschen Reichsarchive; 3. die Österreichische Geheime Staatsregistratur (c. 1665—1696) und die Geheime Konferenz (1669—1740); 4. die Hof- und Staatskanzlei und das Ministerium des Äußern, nebst Gesandtschaftsarchiven und Vereinigte diplomatische Akten (1742—1918); 5. das habsburgisch-lothringische Haus- und Familienarchiv; 6. das kaiserliche Kabinettsarchiv; 7. die Hofarchive und die Generaldirektion des kaiserlichen Privat- und Familienfonds; 8. die künstlich gebildeten Bestände: österreichische Akten und ungarische Akten; 9. der Bestand Belgien; 10. der Italienisch-Spanische Rat; 11. die auf Grund der Klosteraufhebungen und der Säkularisation an das Archiv gelangten Archivkörper von Hochstiften und Klöstern, so insbesondere das Archiv des Hochstiftes Salzburg. Das Haus-, Hof- und Staatsarchiv umfaßt mehr als 200 Archivkörper, zirka 70.000 Einzelurkunden, 100.000 Aktenfaszikel und 30.000 amtliche Bücher; es zählt insgesamt in den verschiedenen Überlieferungs­formen — Originale, Kanzleiregister, urkundliche Bücher und Akten —■ mehrere Millionen Urkunden. ❖ Im vorliegenden Faksimile-Werk soll nun aus diesen viele Millionen Schriftstücke zählenden Schätzen des Haus-, Hof- und Staatsarchivs eine kleine Auswahl der für die österreichische und für die europäische Geschichte wichtigsten und bedeutungsvollsten Urkunden und Dokumente im Bilde und mit Transkriptionen und kurzem erläuterndem Texte vorgelegt werden. An der Spitze der Sammlung stehen zunächst die älteste Originalurkunde des Archivs, die Verleihung staatlicher Hoheitsrechte an den Erzbischof von Salzburg durch Kaiser Ludwig den Frommen, dem Sohne Karls des Großen, vom Jahre 816 (1) x), sowie Königs-, Papst-, Markgrafen- und Klosterurkunden der Babenbergerzeit (2—7). Die für diese ältere Zeit besonders wichtigen Originale über die Erhebung Österreichs zum Herzogtum im Jahre 1156 (siehe auch 20) und über die Erwerbung der Steiermark vom Jahre 1186 und 1192 haben sich im Babenbergischen Archiv nicht erhalten. Das Notizbuch des Abtes Hermann von Niederaltaich (8) beansprucht erhebliches kulturgeschichtliches Interesse und das Landes­fürstliche Gesamturbar um 1260 (9) gibt Einblick in die Finanz- und Wirtschaftsführung der Zeit der späten Babenberger und Ottokars von Böhmen. Tafel 11 und 12 führen uns in die Spätzeit der Staufer — König Konradin — und in die Zeit des Werdens des tirolischen Landesfürstentums. Es folgen die Urkunden über die Auseinandersetzung König Rudolfs I. von Habsburg mit König Ottokar von Böhmen (13), die Verleihung Österreichs und Steiermarks an die Habsburger (14), die Wahlen der Habsburger Albrecht und Friedrich zu deutschen Königen (15—16), die Festigung und Erweiterung der habsburgischen Terri- torialmacht durch die Erwerbung Kärntens (18), Tirols (21) und Vorarlbergs (23), ferner das bekannte Reichsgesetz Kaiser Karls IV., die sogenannte „Goldene Bulle“ (19) und die berühmte Urkundenfälschung Rudolfs IV., das sogenannte „Privilegium maius“ (20), endlich die Dokumente über die vorbereitenden Erbverträge und die schließliche Erwerbung von Ungarn und Böhmen (22, 26, 33, 38), von Burgund (29) und Spanien (30, 32) und der Freundschafts ver trag mit Rußland vom Jahre 1514 (34). Einen Einblick in den Geschäftsgang der königlichen Kanzlei gewährt der Registerband König Ruprechts (25). Die Werkstatt Kaiser Maximilians I. als Schriftsteller zeigen die Vorstudien zum „Weisskunig“ (31). Durch die Erwerbung Ungarns, Böhmens, Burgunds, Spaniens und eines großen Teiles von Italien sowie durch den seit 1438 erfolgten dauernden Besitz der Kaiserkrone wird das Haus Habsburg mit der beginnenden Neuzeit zu einer Weltmacht, und Österreich rückt in den Mittelpunkt der großen europäischen Politik. Wir treten in das Zeitalter der Reformation, der Gegenreformation und des Dreißig­jährigen Krieges: Luthers Thesenanschlag an der Schloßkirche zu Wittenberg im Jahre 1517 (35), Ignatius *) *) Diese jeweils in Klammem stehenden Ziffern gehen die Nummer tier entsprechenden Tafel an. XIII

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