Puskás Attila (szerk.): A Szent Titok vonzásában. A hetvenéves Fila Béla köszöntése - Studia Theologica Budapestinensia 32. (2003)

Fehér M. István: Pietismus und Hermeneutik

Fehér M. István 75 Beobachtung aller Menschenpflichten, als göttlicher Gebote zu setzen“.21 Ihr Grundsatz besteht darin, „daß ein jeder, so viel, als in seinen Kräften ist, tun müsse, um ein besseres Mensch zu werden“,22 und Kant stellt sie etwa der gottesdienstlichen Religion entgegen,23 ebenso wie er den Religionsglauben als Vernunftglauben gegen den Kirchenglauben scharf abgrenzt. Religion ohne Moral und Pflichtbewußtsein, ohne tätiges Leben und Selbstverbesserung ist für Kant bloßer Aberglaube oder Fetischglaube. „Der wahre (moralische) Dienst Gottes [...] ist [...] ein Dienst der Herren“:24 diese zusammenfassende Formulierung Kants, wie der bei ihm oft auftauchende, pietistisch anklingende Ausdruck „ins Her\ geschrieben“, zeigt, wie sehr ihm Religion, weit davon entfernt, Sache des Intellekts, des Verstandes, zu sein, vielmehr Sache der Praxis, Sache des Lebens darstellt — mithin des Menschen ganzes Wesen betrifft. Sprach Gadamer im Zusammenhang des Pietismus von „erbaulicher Anwendung“ und begegnete uns das Wort „Erbauung“ oder „Erbauung in Gott“ in der zitierten Schrift Franches, so ist kaum überraschend, den Terminus auch bei Kant aufzufinden. Erbauung bestimmt Kant als „die moralische Folge aus der Andacht auf das Subjekt“ bzw. „auf die wirkliche Besserung des Menschen“,25 wobei das leitende Erkenntnisinteresse, wie man sieht, vor allem praktisch ist. An einer bloß theo­retischen Schriftgelehrsamkeit ist Kant wenig interessiert: wenn das Herz nicht vorher richtig eingestimmt ist, hat aus seiner Sicht ein solches Studium mit Religion gar nichts zu tun. Der Text der Heiligen Schrift faßt er daher als Rede und näher als verschiedene Formen derselben, z.B. als Gebet oder Predigt, auf. So heißt es: „Die praktische, vornehmlich öffentliche, Benutzung dieses [heili­gen] Buchs in Predigten ist ohne Zweifel diejenige, welche zur Besserung der Menschen und Belebung ihrer moralischen Triebfedern (%ttr Erbauung) beiträgt“;26 der Text selbst ist dabei „nur [...] als Veranlassung zu allem Sittenbessernden“ anzusehen. Hieraus wird auch verständlich, daß sich für Kant die Frage, „was Christentum sei“, konkret — und wie man formulieren könnte, situationsgebunden — mit der Frage gleichbedeutend erweist, „wie es der Lehrer desselben anzufangen habe, damit ein solches in den Herren der Menschen wirk­lich angetroffen werde (welches mit der Auf gäbe einerlei ist: was ist zu tun, damit der Religionsglaube zugleich bessere Menschen mache?)“.2 Nicht die Lehre an und für sich, ihre angeblich an sich seiende Gültigkeit für ein transzendentales 21 Ebd. 22 Werkausgabe, Bd. VIII, 703. 23 Werkausgabe, Bd. VIII, 763. 24 Werkausgabe, Bd. VIII, 867f. 25 Werkausgabe, Bd. VIII, 875. 26 Streit der Fakultäten, Werkausgabe, Bd. XI, 339. 27 Werkausgabe, Bd. XI, 321.

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