Erdő Péter - Rózsa Huba: Eschatologie und Jahrtausendwende 2. Deutsch-Ungarischer Theologentag Budapest, 3. März 2000 - Studia Theologica Budapestinensia 26. (2000)
Martha Zechmeister: Apokalyptik: die unzeitgemässe Botschaft von der befristeten Zeit. Annäherungen über jüdisch inspirierte Philophen unseres Jahrhunderts
sondern etwas weitaus Radikaleres. Sie hat keine verklärende oder verharmlosende Vorstellung vom Drama menschlicher Geschichte. Vielmehr weiß sie darum, daß sich die christlichen Verheißungen erst dort erschließen, wo begonnen wird, dieses Drama in seiner ganzen Abgründigkeit wahrzunehmen. Apokalyptik zerreißt die Vorstellung, daß im Großen und Ganzen ja alles gut ist - und höchstens noch ein paar kleine Korrekturen anzubringen sind. Sie konfrontiert im besonderen uns Westeuropäer damit, daß wir aufs ganze der Menschheitsgeschichte und unserer gegenwärtigen Welt hin gesehen, in einer absoluten Minderheitensituation leben. Jetzt kommen bei den verheerenden Überschwemmungen in Afrika, im mörderischen Krieg in Tschetschenien und an zahlreichen anderen Orten der Welt ungezählte Menschen um. Und wenn die christliche Hoffnung nicht ihnen gilt - dann hat sie auch für uns keine Kraft. Die Berufung auf die Hoffnung darf nicht als Deckmantel für eine gefährliche Beschwichtigung oder eine vorschnelle Aussöhnung mit der leidvoll zerrissenen Wirklichkeit mißbraucht werden - und schon gar nicht, um als Alibi herzuhalten für die Reduktion unserer Sehnsucht auf die kleine egoistische Welt unserer Bedürfnisse und unserer selbstgebastelten Sicherheiten. Solche Hoffnung bringt Zeit- und Handlungsdruck ins Leben, sie setzt Verantwortung frei - ohne daß solche Verantwortung gleichsam in größenwahnsinnig übersteigerten messianischen Phantasien enden müßte und damit notwendig totalitär und gewalttätig würde. Denn die Rettung brauchen nicht wir herbeizuzwingen. Genuin christliche Hoffnung erwartet alles von Gott - und wird gerade darin befähigt, die Augen vor den Leiden der anderen nicht zuzumachen. Sie verbietet uns, mit der Sinnlosigkeit ihrer Leiden zu paktieren und läßt sich den Hunger und Durst nach Gerechtigkeit - für die Lebenden und für Toten, für die Kommenden und die Gewesenen - nicht austreiben. Die apokalyptische Unruhe, die es uns verwehrt, uns erfolgreich gleichsam in einer Welt verkleinerter Maßstäbe einzurichten, bleibt das Ferment solcher Hoffnung - oder sie ist schal und leer geworden. 41